Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung gem. SGB IX a.F. § 95 Abs. 2 S. 1
Leitsatz (amtlich)
Die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a. F. (ab 01.01.2018: § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) ist nur dann unverzüglich und die Anhörung derselben gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a. F. nur dann ordnungsgemäß, wenn beide zeitlich vor der Stellung des Zustimmungsantrags nach den §§ 85 ff SGB IX a. F. (ab 01.01.2018; §§ 168 ff SGB IX) vorgenommen werden.
Normenkette
SGB IX a.F. § 95 Abs. 2 S. 1; SGB IX § 178 Abs. 2 S. 1; SGB IX a.F. § 95 Abs. 2 S. 3; SGB IX § 178 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 06.03.2018; Aktenzeichen 5 Ca 1902/17) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 06.03.2018 - 5 Ca 1902/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer Änderungskündigung.
Die 1972 geborene, ledige und mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehinderte Klägerin wurde bei der Firma D GmbH & Co. KG, I, mit Anstellungsvertrag vom 18. März 2010 (Bl. 31 - 34 d. A.) zum 1. Mai 2010 als kaufmännische Mitarbeiterin für die Abteilung Verkauf eingestellt. Im Wege eines Betriebsübergangs ging am 1. Januar 2014 das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte über, bei der insgesamt knapp 800 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Es gilt dort ein Haustarifvertrag, der im Wesentlichen die Regelungen der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens in Bezug nimmt. Bei einer Einstufung in die "EG 12/02" des ERA erhielt die Klägerin für den Monat Juli 2017 ein Gesamtentgelt von 5.329,51 Euro brutto.
Unter dem 13. Dezember 2016 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat den "Interessenausgleich und Sozialplan zur Betriebsänderung zum 1. Februar 2017 (Reorganisation)" (für die Einzelheiten s. Bl. 90 - 93 d. A.). Nach dessen § 1 Satz 1 gilt er für alle Beschäftigten an allen Standorten der Beklagten, "die von der geplanten Einführung des ERP-Systems SAP (Supply-Chain-Module) betroffen sind und deren Abteilungen in diesem Zuge zu reorganisieren sind". § 1 Satz 2 zählt die davon betroffenen Beschäftigten/Bereiche auf, darunter mit der "Kostenstelle 1020851 Verkauf 1" den Bereich, dem die Klägerin angehörte. Nach § 1 Satz 3 des Interessenausgleichs und Sozialplans sind die betroffenen Beschäftigten in Anlage 1 aufgeführt. § 2 des Interessenausgleichs und Sozialplans formuliert die Ziele der geplanten Reorganisation. Nach § 3 der Regelung ist geplant, die bestehende Aufbauorganisation zum 1. Februar 2017 in die in Anlage 2 (vgl. Bl. 94 d. A.) dargestellte Organisationsstruktur zu überführen. Wegen der weiteren Regelungen in dem Interessenausgleich und Sozialplan wird auf Bl. 90 - 94 d. A. verwiesen.
Wie im Interessenausgleich und Sozialplan vorgesehen, bot die Beklagte der Klägerin eine Ergänzungsvereinbarung zu ihrem Arbeitsvertrag (Bl. 95 d. A.) an, welche ab dem 1. August 2017 die Versetzung der Klägerin in das "Auftragszentrum/Auftragssteuerung" vorsah. Dieses Angebot vom 12. Mai 2017 lehnte die Klägerin ab. Daraufhin beantragte die Beklagte mit Schreiben vom 27. Juni 2017 (Bl. 96 - 100 d. A.) beim LWL-Integrationsamt Westfalen die Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende und der Unterbreitung des Angebots, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist in der "Auftragssteuerung" mit den aufgelisteten Tätigkeiten und zunächst der bisherigen Vergütung "gemäß ERA Entgeltgruppe 12.1 zuzüglich der Leistungszulage" fortzusetzen. Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 (Bl. 107 - 111 d. A.) informierte die Beklagte den Betriebsrat über die gegenüber der Klägerin nach Zustimmung des Integrationsamts beabsichtigte Änderungskündigung und bat diesen, binnen Wochenfrist schriftlich Stellung zu nehmen. Ebenfalls am 29. Juni 2017 wurde dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden W ein inhaltlich identisches Schreiben vom 29. Juni 2017 (Bl. 196 - 200 d. A.) zur Weitergabe an die Schwerbehindertenvertretung überreicht. Während die Schwerbehindertenvertretung eine eigene Stellungnahme nicht abgab, widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Änderungskündigung mit Schreiben vom 6. Juli 2017 (Bl. 113 d. A.) im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Änderungskündigung überflüssig und nicht verhältnismäßig sei, weil keine tatsächliche Änderung gegenüber der bisherigen Tätigkeit der Klägerin im Vertrieb vorliege, sondern es sich um eine rein nominelle Versetzung in die neu geschaffene Abteilung Auftragszentrum handele. Mit Bescheid vom 22. September 2017 erteilte das LWL-Integrationsamt Westfalen die Zustimmung zur Änderungskündigung mit der Maßgabe, dass die Klägerin "als kaufmännische Mitarbeiterin im Auftragszentrum/in der Auftragssteuerung mit ...