Entscheidungsstichwort (Thema)
Fürsorgepflicht. Aufklärungspflicht. Auslandstätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer für eine Auslandstätigkeit einstellt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, diesen auf eine im Einsatzland bestehende Steuerpflichtigkeit der Arbeitsvergütung hinzuweisen.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 14.06.2007; Aktenzeichen 1 Ca 3231/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14. Juni 2007 (1 Ca 323/06) wird auf seine Kosten bei unverändertem Streitwert zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten auf Schadensersatz.
Der Kläger war vom 15. April 2001 bis 30. November 2006 als Reisetechniker für das Bekleidungsunternehmen der Beklagten tätig. Die Bruttovergütung betrug zuletzt 3.568,00 EUR monatlich. Grundlage war ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 5. März 2001 (Bl. 20 f. d. A.), in dem es auszugsweise heißt:
- „Herr O1 wird von der Firma W1 GmbH ab 01.07.2001 oder früher als Reisetechniker eingestellt. Das Aufgabengebiet umfasst die Qualitätskontrolle und die Steuerung der Produktion in Produktionsbetrieben im In- und Ausland. Die W1 GmbH behält sich vor, Herrn O1 seinen beruflichen Fähigkeiten entsprechend auch anderweitig einzusetzen.
- Für seine Tätigkeit erhält Herr O1 ein monatliches, außertarifliches Bruttogehalt in Höhe von DM 6.500,00. Für Auslandseinsätze erhält Herr O1 eine zusätzliche kalendertägliche Auslandszulage in Höhe von DM 50,00 zuzüglich Erstattung von Reisekosten und Übernachtungskosten gemäß den Reisekostenrichtlinien der Firma W1 GmbH (z.Zt. täglich Verpflegung DM 48,00, Übernachtung DM 100,00). Notwendige Mehrarbeit ist durch diese Bezüge bereits abgegolten.
Der Auslandseinsatz erfolgt jeweils für 2 Wochen, Anreisetag ist jeweils der Montag, Rückreisetag ist jeweils der Freitag. Die Wahl der Verkehrsmittel (Flugzeug, Bahn oder PKW) wird saisonabhängig wetterbedingt festgelegt.”
Die Tätigkeit des Klägers bestand überwiegend darin, in einer der Produktionsstätten der Beklagten in Tschechien für den technisch einwandfreien Ablauf der Produktion Sorge zu tragen. Zu diesem Zweck musste sich der Kläger praktisch ganzjährig in Tschechien aufhalten. In den Jahren 2002 und 2003 führte die Beklagte die Lohnsteuer an das für den Wohnsitz des Klägers zuständige Finanzamt O2-L1 ab. Es bestand für den Kläger jedoch Steuerpflicht in Tschechien, weil er sich in diesen Jahren mehr als 183 Tage beruflich dort aufhielt. Eine Freistellungsbescheinigung vom 11. November 2003 aufgrund des mit Tschechien bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens ging bei der Beklagten erst deutlich später ein. Der Antrag datierte vom 16. Mai 2003 und war durch die von dem Kläger beauftragte Sozietät P1 & P1, Vereidigter Buchprüfer Steuerberater-Rechtsanwalt, in H1 gestellt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Antrags und der Freistellungsbescheinigung (Bl. 22 f. d. A.) Bezug genommen. Es erfolgte für 2002 und 2003 eine Nachversteuerung in Tschechien, die von der Beklagten abgeführte Lohnsteuer wurde an den Kläger erstattet.
Der Kläger hat behauptet, dass er wegen der Nichtabführung der Lohnsteuer in den Jahren 2002 und 2003 eine Strafe in Höhe von 8.599,71 EUR an die tschechischen Steuerbehörden zu leisten habe. Diese Strafe sei entstanden, weil die Beklagte die ihm gegenüber zu beachtende Fürsorgepflicht verletzt habe. Er sei davon ausgegangen, wegen der Abführung der Lohnsteuer in den Jahren 2002 und 2003 in Deutschland sei eine Steuerpflicht in Tschechien mitgeregelt gewesen. Die Beklagte hätte die fällige Steuerschuld nicht an das Finanzamt abführen dürfen, sondern entweder den Kläger darauf hinweisen müssen, dass er die Lohnsteuer an die tschechische Finanzverwaltung abzuführen habe, oder aber selbst unmittelbar die Abführung dieser Beträge vornehmen müssen. Da er täglich mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen müsse, sei die Beklagte bereits jetzt zur Zahlung verpflichtet.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die staatliche Finanzbehörde in P2 (Tschechien) 241.565 CZK (entsprechend 8.599,71 EUR) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass entsprechende Steuerstrafbescheide der tschechischen Behörden vorliegen. Zudem habe sie bei und auch nach Aufnahme der Beschäftigung den Kläger darüber informiert, dass er bei mehr als 183 Tagen Tätigkeit in Tschechien steuerpflichtig sei. Darüber hinaus sei die Beklagte weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet gewesen, den Kläger hierauf hinzuweisen. Es bestehe keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vor Vermögensnachteilen zu bewahren oder eine allgemeine Rechtsberatung vorzunehmen. Mangels Vorlage der Freistellungsbescheinigung sei die Beklagte zur Abführung der Lohnsteuern an das Finanzamt verpflichtet gewesen. Im Übrigen sei der Kläger spätestens ab M...