Die Revision wird zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösungsvertrag. Schriftform

 

Leitsatz (amtlich)

Beruht die Zustimmung eines Arbeitnehmers zu einem Auflösungsvertrag auf der Verursachung oder Ausnutzung eines Irrtums des Arbeitnehmers über den Inhalt seiner Zustimmungserklärung, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer tatsächlich einem Auflösungsvertrag zustimmen wollte.

 

Normenkette

BGB § 623

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 03.03.2004; Aktenzeichen 7 (4) Ca 844/03)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 6 AZR 113/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 03.03.2004 – 7 (4) Ca 844/03 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28.02.2003 nicht beendet wurde, sondern fortbesteht.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen des Transportgewerbes. Sie beschäftigt im Betrieb mehr als zehn vollzeitig tätige Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Der am 21.06.1956 geborene Kläger ist ledig und hat ein unterhaltsberechtigtes Kind. Er wurde mit Wirkung vom 01.10.1999 als Kraftfahrer von der Beklagten eingestellt und verdiente zuletzt ca. 2.100,00 EUR. Die Muttersprache des aus Liberia stammenden und seit 1990 in Deutschland lebenden Klägers ist Englisch.

Mit Schreiben vom 28.02.2003, dem Kläger am 03.03.2003 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.03.2003. Die Lohnabrechnungen für die Monate Januar und Februar 2003 hatte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch nicht erteilt. Mit der am 10.03.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet der Kläger sich gegen diese Kündigung. Zugleich hat er die Erteilung der fehlenden Lohnabrechnungen verlangt.

Am 25.03.2003 oder am 26.03.2003 – das genaue Datum ist zwischen den Parteien streitig – bat Herr O2xxxx S4xxxx, der Sohn der Inhaberin der Beklagten, den Kläger nach dessen auswärtiger Tour zu sich ins Büro. Dort übergab Herr S4xxxx dem Kläger die damals streitgegenständlichen Lohnabrechnungen und der Kläger unterzeichnete, zunächst unten rechts auf dem Blatt und sodann nochmals auf Wunsch des Herrn S4xxxx über seinem Namen, ein auf den 25.03.2003 datiertes, mit „Aufhebungsvereinbarung” überschriebenes Schriftstück (Abl. Bl. 20 GA), das wie folgt lautet:

Aufhebungsvereinbarung

Zwischen

F1xxxxxxxx C1xxxxxx S4xxxx, O1xxxxxxxxx S6x. 12x, 33xxx B2xxxxxxx

und

L1xxx R2xxxxxxxx, B3xxxxxxx. 41, 34xxx B2xxxxxxx

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass das Vertragsverhältnis zum 30.04.2003 aufgehoben wird. Zusätzlich bestätigt Herr R2xxxxxxxx die Lohnabrechnungen für Januar und Februar 2003 erhalten zu haben….

Der Kläger erhielt auf sein Verlangen eine Kopie der von ihm unterzeichneten Urkunde.

Mit Schreiben vom 28.03.2003 (Abl. Bl. 21 f. GA) erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Anfechtung der Aufhebungsvereinbarung wegen Täuschung und Inhaltsirrtums (Bl. 21f. der GA).

Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger die ihm jeweils in deutscher Sprache vorgelegten Schriftstücke unterzeichnet, ohne eine englische Übersetzung zu fordern.

Der Kläger hat vorgetragen:

Herr S4xxxx habe ihn am 26.03.2003 in sein Büro gebeten, ihm die Abrechnungen für Januar und Februar übergeben und sodann erklärt, er müsse den Erhalt der Abrechnungen quittieren. Er habe ihm das Schreiben herübergeschoben und erklärt, der Kläger müsse dieses unterschreiben. Er könne deutsch nur beschränkt lesen und habe nicht genau gewusst, was er unterschreibe. Er habe sich auf die Aussage des Herrn S4xxxx verlassen, dass er lediglich den Erhalt der beiden Lohnbescheinigungen quittierte. Als er das Büro verlassen habe, habe er gesehen, wie der im gleichen Büro sitzende Disponent der Beklagten auffallend gelacht habe. In diesem Moment erst sei ihm der Verdacht gekommen, dass im Hinblick auf seine Unterschrift irgendeine „Schweinerei” gelaufen sei. Darauf habe er eine Kopie des soeben unterzeichneten Schreibens verlangt und habe sich unverzüglich zu seinem Prozessbevollmächtigten begeben, den er jedoch nicht angetroffen habe. Er habe im Büro seines Prozessbevollmächtigten die Kopie abgegeben. Am folgenden Tag habe er seinen Prozessbevollmächtigten angerufen und gefragt, was in dem Schreiben stehe.

Die von ihm während des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten Schriftstücke habe er sich, da er zwar leidlich gut deutsch spreche, deutsch jedoch kaum lesen könne, von den vorlegenden Personen mündlich erklären lassen.

Regelmäßig habe er sich Schriftstücke, die er nicht sofort habe unterzeichnen müssen, oder Schriftstücke, die er unterzeichnet, aber nicht verstanden habe, von einem Freund, dem Herrn F2xxxxx U1xxx, erklären lassen. So habe er sich auch bei der ersten Jahressonderzahlung den groben Inhalt des Schreibens von Herrn S4xxxx erläutern lassen. Die handschriftlichen Eintragungen habe er ...

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