Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Aufhebungsvertrages hinsichtlich der Anrechnung anderweit erzielten Verdienstes
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der Vergütung, jedoch unter Anrechnung von Urlaub und Freizeitausgleich, einvernehmlich freigestellt, ohne dass eine ausdrückliche Regelung zur Anrechnung während der Freistellung anderweitig erzielten Verdienstes getroffen wird, ergibt sich auch aus einer ebenfalls vereinbarten "Sprinterklausel" allein keine Anrechnung.
Normenkette
BGB §§ 615, 133, 157, 242
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 06.11.2019; Aktenzeichen 3 Ca 241/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 6. November 2019 - 3 Ca 241/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Vergütungsklage über die Frage, ob sich der Kläger während eines vertraglich vereinbarten Freistellungszeitraums anderweitig erzielten Verdienst anrechnen lassen muss.
Der am 27. September 19XX geborene Kläger war bei der Beklagten und deren Tochtergesellschaft seit dem 1. September 1982 angestellt, zuletzt bei der Beklagten seit dem Jahr 2014 als Personalleiter der C Unternehmensgruppe in R 1 . Die Bruttomonatsvergütung betrug 9.676,00 Euro zzgl. Arbeitgeberanteil VL und Erstattung einer Kontoführungsgebühr, insgesamt 9.703,87 Euro.
Die Beklagte ist Teil einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe, die Bauteile, Komponenten und einbaufertige Module für die Automobilindustrie entwickelt und produziert (AG Iserlohn HRB XXXX).
Im September und Oktober 2018 begann die Umsetzung einer Betriebsstilllegung durch Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen gegenüber allen Arbeitnehmern der Beklagten und ihrer Tochtergesellschaft.
Der Kläger bat die Beklagte um ein vorzeitiges Ausscheiden. Nach Vorlage zunächst zweier Vertragsentwürfe durch den Kläger und konkreten Verhandlungen der Parteien auch über die Höhe einer sogenannten Sprinterprämie vereinbarten die Parteien mit Aufhebungsvertrag vom 12. September 2018 unter anderem Folgendes:
"[...]
1. Die Arbeitgeberin und Herr M sind sich darüber einig, dass das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen, auf Veranlassung des Arbeitnehmers, mit Ablauf des 30.04.2019 durch diesen Aufhebungsvertrag enden wird.
2. Ab dem 21.09.2018 wird Herr M bis zum 30.04.2019 unter Anrechnung aller noch bestehenden Urlaubsansprüche sowie Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto unter Fortzahlung des monatlichen Entgelts in Höhe von 9.676,00 € brutto unwiderruflich bezahlt von der Arbeit freigestellt.
[...]
5. Herr M erhält das Recht mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen durch schriftliche Erklärung vor dem 30.04.2019 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Das Arbeitsverhältnis endet dann mit dem Zeitpunkt, den Herr M angibt. In diesem Fall erhält Herr M in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindungssumme für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Höhe von 2.690,00 € brutto und für jeden vorzeitigen Kalendertag in Höhe von 90,00 € brutto. Sofern Herr M diese Regelung in Anspruch nehmen sollte, sind die Ansprüche aus dieser Regelung bereits jetzt entstanden und vererblich und mit der letzten Entgeltabrechnung auszuzahlen.
[...]"
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags verfügte der Kläger über einen Urlaubsanspruch für das Jahr 2018 von acht Tagen sowie einen Freizeitausgleichsanspruch von 0,62 Stunden.
Ab dem 7. Januar 2019 nahm der Kläger eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber auf und teilte dies der Beklagten zuvor mit. Der Kläger erzielt insoweit monatlich ein höheres Einkommen als bei der Beklagten.
Mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 14. Januar 2019 berief sich die Beklagte im Hinblick auf die bis zum 30. April 2019 ausstehenden Vergütungsansprüche auf ein Zurückbehaltungsrecht, forderte den Kläger auf, die Höhe der im neuen Arbeitsverhältnis erzielten Vergütung mitzuteilen und verwies auf die im Aufhebungsvertrag zu Ziffer 5 vereinbarte Regelung.
Der Kläger teilte die Höhe des seit dem 7. Januar 2019 erzielten Verdienstes nicht mit. Die Beklagte zahlte für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum Ablauf des 30. April 2019 keine Vergütung.
Mit Klage vom 12. Februar 2019 sowie Klageerweiterung vom 17. Juni 2019 hat der Kläger die Vergütungsansprüche für die Monate Januar 2019 bis April 2019 in Höhe von jeweils 9.703,87 Euro brutto nebst Zinsen geltend gemacht.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, ihm stünden die Ansprüche uneingeschränkt zu. Er hat gemeint, die Regelung in § 615 S. 2 BGB sei nicht anwendbar, auch nicht kraft Vereinbarung der Parteien. Dass die Beklagte gegebenenfalls bei Abschluss des Aufhebungsvertrags den inneren Willen gehabt habe, der Kläger möge während des Freistellungszeitraums keine weitere Vergütung erzielen, könne sein, sei aber nicht Gegenstand der Vereinbarung. Die ...