Entscheidungsstichwort (Thema)
Außereheliche geschlechtliche Beziehung eines katholischen Kirchenmusikers. Kündigung wegen schwerer persönlicher sittlicher Verfehlung. Soziale Rechtfertigung der Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die ordentliche fristgerechte Kündigung eines in einer katholischen Kirchengemeinde angestellten Kirchenmusikers ist als Tatkündigung sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 und 2 KSchG, wenn der Arbeitnehmer sich durch das Unterhalten einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung in Widerspruch zu den berechtigten Loyalitätserwartungen der Arbeitgeberin setzt und die Enttäuschung der berechtigten Loyalitätserwartungen der Arbeitgeberin durch Gründe bedingt ist, die nicht "lediglich" in der Person sondern zumindest auch im Verhalten des Arbeitnehmers liegen.
2. Das Unterhalten eines außerehelichen geschlechtlichen Verhältnisses verstößt gegen wesentliche Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre; das Gebot der ehelichen Treue (can. 1063 cic) ist nach wie vor ein zentraler Grundsatz der katholischen Glaubens- und Sittenlehre und gilt auch nach einer Trennung der Eheleute.
3. Das Verlangen der Arbeitgeberin nach Einhaltung der Vorschriften der katholischen Glaubens- und Sittenlehre steht in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben; bedienen sich die Kirchen zur Begründung von Arbeitsverhältnissen der Vertragsfreiheit, findet auf diese zwar das staatliche Arbeitsrecht Anwendung, die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt jedoch deren Zugehörigkeit zu den "eigenen Angelegenheiten" der Kirche im Sinne von Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV nicht auf und ermöglicht es den Kirchen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und dazu die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich zu machen.
4. Werden Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nehmen kirchliche Beschäftigte nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch; sie machen zugleich von ihrem verfassungskräftigen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch.
5. Das Unterhalten einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung stellt eine schwere persönliche sittliche Verfehlung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 1 der im Bistum Münster wirksam in Kraft gesetzten, über die Präambel der Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) für das Arbeitsverhältnis der Parteien in Bezug genommenen und deshalb die Parteien arbeitsvertraglich bindenden Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.1993 (GrO) dar.
6. Die Vorstellungen der katholischen Kirche zur Ausschließlichkeit der Ehe stehen nicht in Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechtsordnung; der Bruch einer bestehenden (bürgerlichen) Ehe, die gemäß Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, wird auch vom bürgerlichen Recht als ein schwerwiegendes Fehlverhalten angesehen ungeachtet der Tatsache, dass dies in der gelebten Praxis auch anders gesehen wird.
7. Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in der Zukunft keinesfalls zu erwarten ist und der Arbeitnehmer ersichtlich nicht gewillt ist, die außereheliche geschlechtliche Beziehung zu beenden.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 140; GrO Art. 1, 4-5; KAVO
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 05.10.2012; Aktenzeichen 2 Ca 786/12) |
Tenor
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 5. Oktober 2012 - 2 Ca 786/12 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 25. April 2012 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.
Der Kläger hat 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen fristgerechten Kündigung.
Der im April 1964 geborene Kläger ist seit März 2001 bei der Beklagten, mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigenden Kirchengemeinde als Kantor, Organist und Chorleiter (KOCH) gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.535,43 Euro tätig. Im Arbeitsvertrag (Bl. 10 - 11 d.A.)ist klargestellt, dass der Dienst in der katholischen Kirche vom Mitarbeiter erfordert, dass er seine persönliche Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre und den sonstigen Normen der katholischen Kirche einrichtet. Zudem wird die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) in ihrer jeweiligen Fassung einschließlich der Anlagen in Bezug genommen. Nach der Präambel der KAVO ist die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher A...