Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nach Art. 5 und 6 DSGVO als Schutzgesetze nach Art. 823 Abs. 2 BGB. Erforderlichkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 6 DSGVO. Spannungsverhältnis zwischen der Erhebung und Verarbeitung von Daten mit Informationspflichten nach Art. 13 und 14 DSGVO. Anspruch auf Unterlassung der Übermittlung personenbezogener Daten an Alleingesellschafterin einer Klinik. Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei rechtswidriger Datenübermittlung. Gesamtschuldnerische Haftung bei Art. 82 Abs. 1 DSGVO
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1 DSGVO („Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“) und Art. 6 Abs. 1 DSGVO sind Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB.
2. Eine Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO ist nur erforderlich, wenn kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, um die Interessen des Verantwortlichen zu erreichen.
3. Im Rahmen der Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO ist neben der berechtigten Erwartungshaltung der betroffenen Person maßgeblich zu berücksichtigen, ob der Verantwortliche seinen Informationspflichten nach der DSGVO gegenüber der betroffenen Person nachgekommen ist und dieser die Möglichkeit gegeben hat, ihre nach der DSGVO bestehenden Rechte wahrzunehmen.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2, § 1004 Abs. 1; BDSG § 26 Abs. 1; DSGVO Art. 4 Nrn. 1, 5, 7, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 82 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Herne (Aktenzeichen 1 Ca 982/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 15.07.2020 - 1 Ca 982/19 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte zu 47% und die Klägerin zu 53% zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche im Anwendungsbereich der DSGVO.
Die Klägerin ist seit dem 01.10.2018 bei der Beklagten auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 29.06.2018 (Bl. 11 ff. GA) beschäftigt. Im Rubrum des Arbeitsvertrags sind der Name, das Geburtsdatum und die Privatadresse der Klägerin angegeben. Der Arbeitsvertrag enthält unter anderen folgenden Regelungen:
„§ 1
Beginn des Arbeitsverhältnisses und Tätigkeit
(5) Dienstort ist das A Krankenhaus B, C straße 151, “0000 B. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer auch an anderen Orten innerhalb des Unternehmens einsetzen kann, soweit der Geschäftsbetrieb dies erfordert.
§ 2
Arbeitszeit und Entgelt
(2) Es wird ein jährliches Bruttogehalt von € 80.500,00 (in Worten: achtigtausendfünfhundert Euro) vereinbart, welches in 12 gleichen Raten gezahlt wird. Das Gehalt wird jeweils am letzten Werktag des jeweiligen Kalendermonats fällig, in dem die Arbeit geleistet wird. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf das der Arbeitgeberin benannte Konto der Arbeitnehmerin.
(3) Neben dem in Abs. 2 festgesetzten Bruttogehalt wird der Arbeitnehmerin eine jährliche Tantieme von bis zu € 4.500,00 (in Worten: viertausendfünfhundert Euro) brutto in Abhängigkeit von Erreichen der vereinbarten Ziele gezahlt. Über die jeweilige Höhe und die jeweiligen Zeile entscheidet die Geschäftsführung der Arbeitnehmerin, möglichst zu Beginn des Geschäftsjahres. Für das Geschäftsjahr 2018 findet die zwischen den Parteien geschlossene Zielvereinbarung Anwendung (die Höhe der Tantieme für das Jahr 2018 ist auf 1500,- Euro begrenzt). Die Tantieme gehört nicht zum gesamtversorgungsfähigen Entgelt. Die Tantieme wird nach Feststellung des Jahresabschlusses ausgezahlt.
§ 10
Betriebsvereinbarungen, Freiwilligkeitsvorbehalt, Datenspeicherung
(3) Die Arbeitnehmerin ist darüber informiert, dass ihre personenbezogenen Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, gespeichert, verarbeitet und genutzt werden. Sie wird Änderungen der persönlichen Angaben (z. B. Heirat, Ehescheidung, Geburt eines Kindes, Wohnungswechsel) unverzüglich der Arbeitgeberin in Textform mitteilen.“
Die Beklagte betreibt das G Krankenhaus in B und die D Klinik in F. Mehrheitsgesellschafter der Beklagten ist die D. Neben der Beteiligung an der Beklagten unterhält die D deutschlandweit Mehrheitsbeteiligungen an fünf weiteren Klinik-Gesellschaften, die jeweils in der Rechtsform einer GmbH geführt werden.
Die D ist zudem Alleingesellschafterin der A Kliniken GmbH (fortan: AKG). Ausweislich des Handelsregisters (Bl. 290 GA) und Gesellschaftsvertrags (Bl. 185ff. GA) ist Unternehmensgegenstand der AKG die Übernahme und Gewährleistung der Geschäftsführung von Krankenhausträgergesellschaften und im Krankenhausbereich tätigen Dienstleistungsgesellschaften, an denen die D mehrheitlich beteiligt ist. Die AKG übernimmt Aufgaben der Organisation, des Managements und des Personalcontrollings im Klinikverbund.
Die AKG ist keine Personalabteilung oder personalverwaltende Stelle der Beklagten oder anderer Verbundkliniken. Die Beklagte verfügt über eine eigene Perso...