Die Revision wird zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer tariflichen Bestimmung. Verstoß gegen zwingendes Kündigungsschutzrecht
Leitsatz (amtlich)
§ 8 des Tarifvertrages über die Lohn- und Gehaltssicherung für Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 25.01.1979 (jetzt § 8 TV EGS vom 18.12.2003), der den Arbeitgeber ohne besonderen Grund berechtigt, dem Arbeitnehmer eine niedriger bezahlte Tätigkeit zuzuweisen, ist wegen Verstoßes gegen die zwingenden Kündigungsschutzbestimmungen der §§ 1 und 2 KSchG unwirksam.
Normenkette
TV LGS Metall NRW §§ 2-3, 8; ZPO § 256 Abs. 2; BGB §§ 315, 615; KSchG § 1 Abs. 2, § 2; GG Art. 12
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Urteil vom 29.07.2004; Aktenzeichen 1 Ca 623/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 29.07.2004 – 1 Ca 623/04 – wie folgt abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den 30.04.2004 hinaus den jeweiligen Tariflohn gemäß der Lohngruppe 6 § 3 des Lohnrahmenabkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW in der zuletzt gültigen Fassung zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 984,98 EUR brutto und auf den Betrag in Höhe von 156,05 EUR 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2003, auf den Betrag in Höhe von 156,05 EUR 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2004, auf den Betrag in Höhe von 156,05 EUR 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2004, auf den Betrag in Höhe von 181,92 EUR 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2004 und auf den Betrag in Höhe von 181,92 EUR 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung bezüglich der Zahlungsklage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.421,88 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Herabgruppierung des Klägers.
Der am 19.03.1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten, die etwa 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, seit dem 01.11.1990 als Maschinenbediener tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit die Tarifverträge der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW Anwendung. Der Kläger ist seit dem 01.03.1992 Mitglied der IG Metall. Die Beklagte ist zum 31.12.2004 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten.
In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 22.10.1990 heißt es:
„2. Lohn
Herr M2xxxx ist in Lohngruppe 6.
Der Lohn beträgt DM 15,34/Std. und setzt sich wie folgt zusammen:
- Tariflohn zur Zeit 13,87 DM
- tarifliche Zulage 1,47 DM
…
Die Einstellung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Arbeitnehmer zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen sowie aus anderen betrieblichen Gründen wechselnd in sämtlichen Abteilungen mit allen Arbeiten und Schichteinteilungen beschäftigt werden kann, auch wenn dabei ein Wechsel an Akkord-, Prämien- oder Zeitlohn stattfindet. Mit der Zuweisung der neuen Tätigkeit tritt die für ihn geltende Lohnregelung sofort in Kraft, ohne dass ein Anspruch auf Fortzahlung des bisherigen Lohnes für die Dauer der Kündigungsfrist besteht. …”
Mit Wirkung zum 01.02.2003 wurde der Kläger von seinem bisherigen Arbeitsplatz an der Blechschere im Metallbereich in den Geschäftsbereich Kunststoffverarbeitung versetzt. Hintergrund ist, dass die Arbeiten an der Blechschere weggefallen waren und das Schneiden der Bleche durch den Einsatz von Laserstrahltechnik erfolgt. Nach Darstellung der Beklagten ist der bisherige Arbeitsplatz des Klägers dadurch vollständig entfallen. Zur Vermeidung einer Entlassung sei der Kläger in den Kunststoffbereich versetzt worden. Die Tätigkeit dort werde aber tarifkonform nur mit Lohngruppe 4 vergütet.
Die Beklagte teilte dem Kläger deshalb die Neuregelung seiner Bezüge mit Schreiben vom 16.01.2003 wie folgt mit:
„Sehr geehrter Herr M2xxxx,
aufgrund ihrer neuen Tätigkeit als Maschinenbediener im Geschäftsbereich Kunststoffverarbeitung erhalten Sie mit Wirkung ab dem 01.02.2003 folgende Bezüge:
- Monatsentgelt Lohngruppe 4 EUR 1.541,49
- Tarifliche Zulage EUR 168,01
EUR 1.709,50”
Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 03.04.2003 wie folgt:
„Geltendmachung nach § 19 MTV NRW
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach Durchsicht meiner Gehaltsabrechnung habe ich festgestellt, dass sie einseitig ein neues Gehalt festgesetzt haben. Meine bisherige Lohngruppe war 6, sie haben die Berechnung meines Lohnes für den Monat Februar und März auf der Grundlage der Lohngruppe 4 vorgenommen.
Hiermit widerspreche ich dieser Umgruppierung und berufe mich auf den Tarifvertrag über Lohn- und Gehaltssicherung für die Arbeitnehmer der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 25. Januar 1979. In diesem ist geregelt, dass, wenn Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen auf einen geringer bezahlten Arbeitsplatz versetzt werden, ...