Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer im Arbeitsvertrag vereinbarten Vertragsstrafenregelung. Unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB
Leitsatz (redaktionell)
Ein Vertragsstrafenversprechen benachteiligt den Arbeitnehmer dann unangemessen, wenn es an einer zahlenmäßigen bzw. zeitlichen Einschränkung für solche Verletzungshandlungen fehlt, die eine Mehrzahl von Einzelakten oder eine fortgesetzte Verletzungshandlung beinhaltet bei einem nach natürlicher Betrachtungsweise zusammenhängenden Verstoß gegen die durch das Wettbewerbsverbot gesicherten Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers.
Normenkette
BGB § § 305 ff., § 307 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 12.08.2022; Aktenzeichen 4 Ca 630/22) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 12.08.2022 (4 Ca 630/22) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe.
Die Klägerin ist ein Personaldienstleister im Pflegebereich mit mehreren Niederlassungen in Nordrhein-Westfahlen. Die Beklagte war bei der Klägerin seit dem 16.03.2020 als Vertriebsdisponentin in deren Niederlassung A beschäftigt, zuletzt gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.000,00 €. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien war ein Anstellungsvertrag vom 05.03.2020, in dem es u.a. heißt:
1.
Dienststellungs- und Aufgabenbereich
...
Während der Zeit des Anstellungsvertrages gilt das Wettbewerbsverbot gemäß § 60 HGB.
...
5. Geheimhaltungspflicht
5.1 Der Mitarbeiter verpflichtet sich, während der Dauer dieses Vertrages und im Anschluss über alle geschäftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers (insbesondere Kundenlisten, Mitarbeiter, Organisation, Arbeitsverfahren) absolutes Stillschweigen zu bewahren. Er darf derartige Kenntnisse nicht für seine eigenen Zwecke oder zur Weiterleitung an Drittpersonen benutzen.
Dieses Stillschweigen bezieht sich im Übrigen auf alle internen Vorgänge.
5.2 Bei Verstoß des Mitarbeiters gegen die Verpflichtungen aus Ziffer 1, letzter Absatz und 5.1 des Anstellungsvertrages kann der Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von bis zu zwei Bruttogehältern für den Verstoß, unabhängig vom Eintritt des Schadens, geltend machen. Des Nachweises eines Schadens oder der Höhe des Schadens bedarf es insoweit nicht. Das Recht von des Arbeitgebers, außerdem Schadenersatz geltend zu machen, bleibt davon unberührt.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch außerordentliche arbeitgeberseitige Kündigung am 11.04.2022, die die Beklagte nicht angegriffen hatte. Zuvor hatte diese mit Schreiben vom 31.03.2022 zum 30.04.2022 eine Eigenkündigung erklärt.
Die Klägerin wirft der Beklagten vor, diese habe am Aufbau eines Konkurrenzunternehmens, der B GmbH in A , mitgewirkt und versucht, bei ihr beschäftigte Arbeitnehmerinnen für jenes Unternehmen abzuwerben. Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe deshalb in drei Fällen eine Vertragsstrafe in Höhe von jeweils 6.000,00 € verwirkt.
Die Klägerin hat dazu vorgetragen, am 28.03.2022 habe die Beklagte ihre Mitarbeiterin E angerufen und den Versuch unternommen, diese abzuwerben. Dabei habe sie dieser erklärt, sie, die Beklagte, werde die neue Firma gemeinsam mit Herrn D und Frau E führen, wobei die Tätigkeit zum 01.04. oder zum 01.05.2022 beginnen solle. Die Beklagte habe Frau C konkret aufgefordert, mit zum Wettbewerber zu gehen. Dieser Abwerbungsversuch stelle schon für sich genommen einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot gem. § 60 HGB dar. Hinzu komme, dass die Beklagte federführend an dem Aufbau des Wettbewerbers beteiligt gewesen sei. Sie sei offizieller Ansprechpartner gem. einer Kontaktliste für die Niederlassung A gewesen (s. Aktenblatt 17). Die Beklagte habe von dieser Liste Kenntnis gehabt und sei mit ihrer Zustimmung aufgenommen worden. Sie habe gemeinsam mit den dort genannten Mitarbeiterinnen E und F unter Führung ihres früheren Geschäftsführers D eine Unterwanderung und Aushöhlung zu ihrem Nachteil betrieben, was zur Folge gehabt habe, dass etwa 25 - 30 Mitarbeiter bei ihr gekündigt hätten. Die Beklagte habe wegen der Abwerbung einerseits und außerdem wegen ihrer kollusiven Tätigkeit eine Vertragsstrafe in Höhe von jeweils zwei Bruttomonatsgehältern verwirkt. Eine weitere Vertragsstrafe habe die Beklagte dadurch verwirkt, dass sie nach einem vorausgegangenen Kontakt mit ihrer früheren Mitarbeiterin G per WhatsApp während ihrer Arbeitszeit mit dieser an einem Treffen im Büro der B GmbH in B teilgenommen habe Dabei habe Frau G ihr Kündigungsschreiben abgegeben. In der ersten Aprilhälfte habe die Beklagte habe dann Frau G eine weitere Mitteilung per WhatsApp geschickt und die Zeugin gebeten, am 15.04.2022 noch einmal das Büro der B GmbH zu kommen, um dort den neuen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, was dann in Anwesenheit der Beklagten auch geschehen sei. Die fragliche Vert...