Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsmitglied. Abmahnung. Teilbarkeit. Entfernungsanspruch; Klarheit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Entfernungsanspruch besteht insoweit bereits dann, wenn in einer Abmahnung eine von mehreren Tatsachenfeststellungen und/oder Bewertungen unzutreffend bzw. unsubstantiiert sind. Denn – anders als bei einer Kündigung – bildet in einem Prozess wie hier ein ganz bestimmtes Schriftstück mit einem bestimmten Inhalt den Streitgegenstand. Entweder hat dieses Schreiben, so wie es gefasst ist, in der Personalakte zu verbleiben oder es ist bei einer Unrichtigkeit zu entfernen.
2. Personalgespräche sind Unterredungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, die im Zusammenhang mit den arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten bzw. dem sonstigen Arbeitsvertragsinhalt stehen. Sie können im Rahmen des § 106 S. 1 und 2 GewO angeordnet werden, und bei einer Pflichtverletzung in dem Zusammenhang kann der Arbeitgeber namentlich eine Abmahnung aussprechen.
Normenkette
BGB § 1004
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 10.09.2009; Aktenzeichen 4 Ca 1169/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 10.09.2009 – 4 Ca 1169/09 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien um die Rechtmäßigkeit einer Abmahnung.
Die Klägerin arbeitet bei der Beklagten als teilzeitbeschäftigte Sachbearbeiterin zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.297,29 EUR. Sie ist Vorsitzende des dreiköpfigen Betriebsrates.
Am 18.03.2009 bekam sie vom Geschäftsführer, dessen Assistentin die Arbeitnehmerin K2 ist, eine E-Mail, die auszugsweise wie folgt lautet:
„…zum wiederholten Mal beschwert sich Frau K2 bei mir darüber, dass Sie sich in telefonischen Gesprächen aus nichtigem Anlass im Ton vergreifen.
Ich möchte dem nachgehen und beabsichtige daher, mit Ihnen und Frau K2 ein klärendes Gespräch zu führen.
Terminvorschlag meinerseits wäre Dienstag, der 24.03.2009 um 12.45 Uhr im K3.”
Darauf antwortete die Klägerin einen Tag später wie folgt:
„…hiermit bestätige ich den Gesprächstermin.
Ich werde den Kollegen S4 vom Betriebsrat mit hinzuziehen.”
In der Folgezeit wurde der Termin vorverlegt auf den 23.03.2009 um 12.00 Uhr. An diesem Tag kam es aber nicht zu dem Gespräch, obwohl sich die Beteiligten im Verwaltungsgebäude der K3 im ersten und zweiten Obergeschoss aufhielten. Daraufhin sprach die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 21.03.2009 eine Abmahnung aus, die auszugsweise wie folgt lautet:
Sehr geehrte Frau S3,
bedauerlicherweise besteht Anlass, Ihnen gegenüber eine
Abmahnung
wegen einer von Ihnen begangenen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung auszusprechen.
Zugrunde liegt folgender Sachverhalt:
am 18.03.2009 wurden Sie von der Geschäftsleitung per E-Mail an Ihre Mitarbeiter-E-Mailadresse zu einem Personalgespräch eingeladen. Am 19.03.2009 haben Sie diesen Gesprächstermin mit dem Hinweis, dass Sie das Betriebsratsmitglied, Herrn S4, hinzuziehen wollen, bestätigt. Später wurde der Termin in Abstimmung mit Ihnen auf den 23.03.2009, 12.00 Uhr, im Geschäftsführerbüro des K3 vorverlegt.
Zu diesem Personalgespräch sind Sie nicht erschienen. Sie haben sich auch nicht ordnungsgemäß abgemeldet, sondern um ca. 12.15 Uhr über die Hauptverwaltung ausrichten lassen, dass Sie das Gespräch als Betriebsratsangelegenheit werten und nur im Betriebsratsbüro führen würden.
Bei dem vorgesehenen Gespräch handelte es sich jedoch um ein Personalgespräch, was aus der Mail der Geschäftsleitung vom 18.03.2009 klar erkennbar war und von Ihnen auch gemäß Ihrer Bestätigungsmail vom 19.03.2009 so verstanden wurde. Das Nichterscheinen zu einem während der regulären Arbeitszeit von der Geschäftsleitung angesetzten Personalgespräch stellt einen erheblichen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar.
Wir haben Sie aufzufordern, zukünftig Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten einzuhalten, insbesondere haben wir Sie dazu aufzufordern, zu Personalgesprächen mit der Geschäftsleitung zukünftig zu erscheinen.
Sollte sich eine derartige arbeitsvertragliche Pflichtverletzung wiederholen, müssen Sie mit der fristlosen Kündigung des Anstellungsverhältnisses rechnen…”
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Vorwürfe seien ungerechtfertigt. Man habe ihr nicht genau mitgeteilt, wo das Treffen stattfinden soll. Im Übrigen sei sie davon ausgegangen, es habe sich um eine Betriebsratsangelegenheit gehandelt. Dem Geschäftsführer sei auch bekannt gewesen, dass sie sich am 23.03.2009 mit den anderen Betriebsratsmitgliedern im Betriebsratsbüro aufgehalten habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die der Klägerin mit Schreiben vom 31.03.2009 erteilte Abmahnung ersatzlos aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, sie habe zu einem Personalgespräch geladen. Ort und Zeit seien der Klägerin bekannt gewesen. Durch das Nichterscheinen habe diese ihre arbe...