Entscheidungsstichwort (Thema)
Kopftuch, Religionsfreiheit, kirchliches Selbstbestimmungsrecht. Untersagung des Tragens eines islamischen Kopftuchs in einer Krankenanstalt in konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitgeber, der eine Krankenanstalt in konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche führt, kann einer Krankenschwester im Wege des Weisungsrechts untersagen, während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch zu tragen.
Normenkette
GewO § 106; GG Art. 4, 140; WRV Art. 137
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 31.03.2011; Aktenzeichen 3 Ca 2843/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 31.03.2011 - 3 Ca 2843/10 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges und insbesondere über die Frage, ob die Beklagten berechtigt ist, der Klägerin das Tragen eines Kopftuchs während der Arbeit zu untersagen.
Die Klägerin, die dem islamischen Glauben angehört, ist seit dem 01.02.2000 bei der Beklagten - einer Krankenanstalt unter konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche - als Krankenschwester tätig; sie erhielt zuletzt ein monatliches Entgelt in Höhe von 2.904,41 €. Im Arbeitsvertrag, den die Parteien unter dem 22.12.2000 abschlossen, heißt es u. a.:
"§ 2
Vertragsinhalt sind
1. die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF),
2. die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen,
wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) und seinen Änderungen geregelt sind."
Die Präambel des BAT-KF lautet:
"Der kirchliche Dienst ist durch den Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimmt. Nach ihren Gaben, Aufgaben und Verantwortungsbereichen tragen die kirchlichen mitarbeitenden, wie es in der "Richtlinie des Rates der EKD nach Art. 9 b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD in Deutschland und des Diakonischen Werkes der EKD" in der Fassung vom 1. Juli 2005 bestimmt ist, zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Ihr gesamtes Verhalten im Dienst und außerhalb des Dienstes muss der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeitende im Dienst der Kirche übernommen haben. Es wird von Ihnen erwartet, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes respektieren."
In der "Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Diakonischen Werkes der EKD" heißt es u. a.:
"§ 4
Berufliche Anforderung während des Arbeitsverhältnisses
(1) Je nach Aufgabenbereich übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben. Sie haben sich daher loyal gegenüber der evangelischen Kirche zu verhalten.
(2) Von evangelischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen. Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht.
(3) Von christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass 16 sie Schrift und Bekenntnis achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung eintreten.
(4) Nichtchristlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.
Bei der Beklagten besteht eine Dienstvereinbarung zur Personalhygiene vom 24.08.2009. Diese Dienstvereinbarung hat unter anderem den folgenden Inhalt:
1. Berufskleidung
(...)
- In den Abteilungen und Bereichen des Krankenhauses, in denen Berufs- und Schutzkleidung zu tragen ist, ist das Tragen von sonstiger Privatkleidung (z.B. Jeans, Pullover, Halstuch, Kopftuch) untersagt. Bei Dienstwegen außerhalb des Krankenhauses (Personalabteilung) kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden, ebenso bei Zeiten außerhalb der direkten Patientenbetreuung kann Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden.
- Die Berufskleidung ist regelmäßig der Aufbereitung der Krankenhauswäscherei zuzuführen. Die Berufskleidung darf auf keinen Fall zu Hause gewaschen werden.
(...)
12. Allgemeine Hinweise
- Vor Betreten der Cafeteria ist der Dienstkittel in der Garderobe abzulegen.
- Das Tragen von Kopftüchern ist während der Arbeitszeit nicht gestattet.
- Das Tragen von Stethoskopen in der Cafete...