Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer korrigierenden Rückgruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe des geltenden Tarifvertrages
Leitsatz (amtlich)
Im Anwendungsbereich des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens nach § 7 ERA-ETV NRW ist eine sog. korrigierende Rückgruppierung ausgeschlossen.
Leitsatz (redaktionell)
Eine grundsätzlich zulässige korrigierende Rückgruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe des geltenden Tarifvertrages ist im Anwendungsbereich des ERA-ETV nicht vorgesehen und daher nicht zulässig.
Normenkette
BetrVG § 99; BGB § 319; ERA-ETV NRW § 7; ERA NRW §§ 2, 4; BGB § 611a Abs. 2; TVG § 4 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 08.01.2020; Aktenzeichen 6 Ca 1146/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.01.2020 - 6 Ca 1146/19 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 907,87 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem Monat Mai 2019 Vergütung nach der Entgeltgruppe 13, Stufe 3 gemäß dem Entgeltrahmenabkommen in der M vom 18.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Der 1960 geborene Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten beschäftigt. Das Tarifwerk der M findet kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung, so auch das Entgeltrahmenabkommen in der M vom 18.12.2003 (im Folgenden: ERA) und der ERA-Einführungstarifvertrag vom 30.09.2004 (im Folgenden: ERA-ETV).
Der Kläger erhielt bis einschließlich März 2018 eine Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe EG 13 Stufe 3 ERA, die sich einschließlich einer Leistungszulage von 12,5 % auf 5.852,91 € belief. Die Beklagte beantragte am 27.03.2018 bei ihrem Betriebsrat, den Kläger mit Wirkung ab dem 01.04.2018 von der Entgeltgruppe EG 13 ERA in die Entgeltgruppe EG 12 ERA umzugruppieren. Mit Wirkung ab dem 01.04.2018 setzte die Beklagte diese Eingruppierung vorläufig um, zahlte für die Dauer von 12 Monaten bis einschließlich März 2019 das bisherige Entgelt entsprechend § 3 des Tarifvertrages zur Entgeltsicherung in der M vom 18.12.2003 (im Folgenden: TV-EGS) weiter und vergütet den Kläger nun seit dem 01.04.2019 aus der Entgeltgruppe EG 12, Stufe 2 ERA. Einschließlich einer Leistungszulage von 12,5 % erhielt der Kläger im Monat April 2019 eine Vergütung in Höhe von 4.944,94 €.
Der Umgruppierung war vorausgegangen, dass die Beklagte den Kläger 2016 in eine andere Abteilung versetzte und eine Neubewertung der Eingruppierung vornahm. Mit ihrem Betriebsrat konnte sich die beklagte Arbeitgeberin über die von ihr beabsichtigte und ab dem 01.04.2018 vorläufig erfolgte Umgruppierung in die Entgeltgruppe EG 12 ERA nicht verständigen. Auf Antrag des Betriebsrats wurde sodann das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren eingeleitet, dessen Anwendung die Beklagte mit ihrem Betriebsrat auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung vom 23.06.2006 vereinbarte. Dazu bestimmt § 7 ERA-ETV:
1 Im Rahmen der Einführung des Entgeltrahmenabkommens können die Betriebsparteien aufgrund einer freiwilligen unbefristeten Betriebsvereinbarung das folgende besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren vereinbaren, das die Reklamationsrechte nach § 4 Nr. 1 und 2 ERA sowie die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei Eingruppierungen und Umgruppierungen nach §§ 99 ff. BetrVG ablöst.
2 Es wird eine paritätische Kommission eingerichtet, der je zwei vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat bestellte Betriebsangehörige angehören.
3 Die paritätische Kommission wird auf schriftlichen Antrag des Betriebsrats (Einspruch) tätig, wenn sich die Betriebsparteien nicht auf die vom Arbeitgeber unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen beantragte Eingruppierung verständigen können.
4 Kommt es in der paritätischen Kommission innerhalb von acht Wochen nach Antragsstellung nicht zu einer einvernehmlichen Entscheidung über die Eingruppierung, so entscheidet auf Antrag einer Betriebspartei die tarifliche Einigungsstelle gem. § 24 EMTV die Eingruppierung des Beschäftigten verbindlich. Beiden Betriebsparteien steht gegen die Entscheidung der Einigungsstelle innerhalb einer Frist von zwei Wochen der Rechtsweg im Hinblick auf Verfahrensfehler und grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze offen.
5 Das Reklamationsrecht des Beschäftigten und Betriebsrats nach § 4 Nr. 2 ERA bei Änderungen der Arbeitsaufgaben gilt mit der Maßgabe, dass auf Antrag einer Betriebspartei die tarifliche Einigungsstelle gem. § 24 EMTV die Frage der Eingruppierung verbindlich entscheidet, wenn die paritätische Kommission nicht innerhalb von acht Wochen zu einer Entscheidung kommt. Nr. 4 Satz 2 gilt entsprechend.
6 Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die beantragte Eingruppierung des Arbeitgebers als vorläufig. Erfolgt innerhalb v...