Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung des Arbeitsverhältnisses einer Orchestermusikerin aus einem sonstigen Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG, weil die Probespielordnung des Orchesters grundsätzlich eine Stellenausschreibung und die Durchführung eines Probespiels zur Gewinnung eine Dauerbesetzung vorsieht
Leitsatz (redaktionell)
Die Aufzählung von Sachgründen für die Befristung von Arbeitsverhältnissen in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1-8 TzBfG ist nicht abschließend. Andere Sachgründe können eine Befristung von Arbeitsverträgen jedoch nur dann rechtfertigen, wenn sie den in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 12.07.2011; Aktenzeichen 7 Ca 1157/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12.07.2011 – 7 Ca 1157/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund seiner Befristung beendet ist.
Die am 19.05.1974 geborene, verheiratete, gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Klägerin war seit dem 25.02.2005 in dem von der Beklagten getragenen Orchester der Dortmunder Philharmoniker als Harfenistin auf Honorarbasis tätig.
Am 29.06.2010 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag (Bl. 9, 10 d. A.). Gemäß § 1 des Vertrages wurde die Klägerin befristet als Krankheitsvertretung für den Musiker C1 längstens bis zum Ende der Spielzeit 2010/2011 (24.07.2011) beschäftigt. Mit Schreiben vom 25.01.2010 (Bl. 11 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 09.11.2010.
Am 27.10.2010 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag (Bl. 12, 13 d. A.). Nach § 1 dieses Vertrages wurde die Klägerin nach § 14 TzBfG befristet für die Zeit vom 10.11.2010 bis zum 31.03.2011 als Harfenistin eingestellt. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern vom 31.10.2009 (TVK) in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen.
In § 3 Abs. 1 TVK heißt es wie folgt:
„Begründung des Arbeitsverhältnisses
(1) Mit dem Musiker ist ein Arbeitsvertrag nach dem diesem Tarifvertrag anliegenden Muster abzuschließen. Der Arbeitsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform. Das Gleiche gilt für Änderungen und Ergänzungen.
Zeitverträge dürfen nur abgeschlossen werden, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Musikers liegende Gründe vorliegen. Als sachlicher Grund gilt auch,
- dass der Musiker in den letzten zwölf Monaten vor Abschluss des Arbeitsvertrages ununterbrochen arbeitslos gemeldet ist oder
- dass die Beendigung der Ausbildung des Musikers nach einem vorgelegten Abschlusszeugnis nicht länger als 18 Monate zurückliegt und der Musiker in diesen 18 Monaten in keinem Beschäftigungsverhältnis als Musiker tätig war, das eine ununterbrochene Dauer von drei Monaten überschritten hat.
Der Abschluss von Zeitverträgen für die Dauer von mehr als drei Jahren ist unzulässig.”
Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt 3.913,73 EUR. Ihre Tätigkeit war beanstandungsfrei.
Der bei der Beklagten beschäftigte Harfenist C1 bezieht seit September/Oktober 2010 eine Erwerbsunfähigkeitsrente und wird seine Tätigkeit für die Beklagte nicht wieder aufnehmen.
Die D3 Philharmoniker habe sich eine Probespielordnung (Bl. 46 bis 49 d. A.) gegeben. Danach sind neu zu besetzende Planstellen öffentlich durch die Beklagte in der Zeitschrift „Das Orchester” auszuschreiben. Es hat ein Probespiel stattzufinden. Die Übernahme von ständigen Aushilfen/Praktikanten in ein festes Arbeitsverhältnis sowie die Möglichkeit der Berufung ohne vorhergehendes Probespiel könne nur nach Absprache mit der Beklagten, einstimmigem Antrag der Fachgruppe und einer Zweidrittelmehrheit des gesamten Orchesters nach ausführlichem Meinungsaustausch geschehen.
Die Probespielordnung ist keine mit dem Personalrat vereinbarte Dienstvereinbarung.
In der Vergangenheit wurden verschiedentlich Musikerinnen und Musiker ohne Probespiel eingestellt.
Die Beklagte schrieb die Harfenstelle am 17.12.2010 in der Zeitschrift „Das Orchester” und in der Internetplattform V1.d2 als zum 01.04.2011 zu besetzen aus. Wegen der Einzelheiten der Ausschreibungen wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 29.06.2011 vorgelegten Kopien (Bl. 208 bis 216 d. A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 02.03.2011 (Bl. 15 bis 18 d. A.) vertrat die Klägerin die Rechtsauffassung, die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2011 sei rechtsunwirksam, es bestehe ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Mit Schreiben vom 10.03.2011 (Bl. 19, 20 d. A.) teilte die Beklagte ihr mit, sie werde nicht über den 31.03.2011 hinaus weiterbeschäftigt.
Mit ihrer am 17.03.2011 bei dem Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Befristung...