Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung unverfallbarer Versorgungsanwartschaften. Dauerhafte Einstellung des Austauschs der Hauptleistungspflichten. Pflicht zur Kündigung des Versicherungsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Das Verbot, unverfallbare Versorgungsanwartschaften abzufinden, gilt auch dann, wenn ein wegen einer Erkrankung des Arbeitsnehmers von unabsehbarer Dauer nur noch formal bestehendes Arbeitsverhältnis ruht, sofern keine konkrete Aussicht darauf besteht, dass es noch einmal aktiviert wird. Die dauerhafte Einstellung des Austauschs der wechselseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis steht dessen rechtlicher Beendigung i.S.v. § 3 Abs. 1 BetrAVG gleich.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2; BetrAVG § 3 Abs. 1, §§ 1a, 1b Abs. 5, § 2 Abs. 2 S. 5; BGB § 134
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Entscheidung vom 14.08.2013; Aktenzeichen 2 Ca 291/13) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 14.08.2013 - 2 Ca 291/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, ein im Wege der Entgeltumwandlung zugunsten der Klägerin begründetes Versicherungsverhältnis aufzulösen.
Die 1958 geborene Klägerin ist seit dem 02.05.2001 bei der Beklagten beschäftigt. Zum 01.01.2004 begründete diese zu Gunsten der Klägerin bei der B Pensionskasse AG als betriebliche Altersversorgung ein Versicherungsverhältnis mit Ablaufdatum zum 01.01.2024. Die monatlichen Beiträge in Höhe von 150,00 € wurden im Wege der Entgeltumwandlung vom Arbeitsentgelt der Klägerin in Abzug gebracht.
Die Klägerin ist seit Ende 2009 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Ab 29.12.2009 bezog sie zunächst Krankengeld, später Arbeitslosengeld und erhält nunmehr seit dem 01.02.2012 befristet bis zum 31.01.2015 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von derzeit 486,46 € monatlich. Die Klägerin möchte den Rückkaufswert des bei der B Pensionskasse AG angesammelten Kapitals in Anspruch nehmen und zu diesem Zweck die Beklagte verpflichten, das derzeit beitragsfrei geführte Versicherungsverhältnis mit der Vertragsnummer 12345 zu kündigen. Die Beklagte lehnt dies ab.
Den Antrag der Klägerin,
die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der B Pensionskasse AG die Kündigung des zu ihren Gunsten abgeschlossenen Versicherungsvertrages zur Vertragsnummer 12345, zu erklären,
hat das Arbeitsgericht Detmold durch Urteil vom 14.08.2013, verkündet am 11.09.2013, abgewiesen. Zur Begründung hat es angenommen, der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bestehe nicht. Das BetrAVG gewähre dem Arbeitnehmer zwar einen Anspruch auf Entgeltumwandlung, enthalte jedoch keine Regelung für eine Rückabwicklung. Dies entspreche dem sozialpolitischen Zweck der Vorschrift, die Arbeitnehmer zum dauerhaften Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung zu veranlassen. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Kündigung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages zu erklären, ergebe sich auch nicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Versicherungsverhältnisse zum Aufbau einer Altersvorsorge seien langfristig konzipiert. Eine Auszahlung des Rückkaufswertes der Versicherung, die die Klägerin letztlich anstrebe, würde zwar kurzfristig deren Barvermögen erhöhen, tatsächlich aber zu einer Vermögensminderung führen, weil ein Ausstieg aus dem Versicherungsverhältnis in der Regel mit einer Vermögenseinbuße bezahlt werden müsse. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Entgeltumwandlungsvereinbarung eine unverfallbare Anwartschaft erwerbe. Diese bestehe im Fall der Kündigung des Versicherungsvertrages fort. Im Falle einer Kündigung des Versicherungsvertrages bleibe die Beklagte gegenüber der Klägerin daher verpflichtet, was im Ergebnis eine deutliche Besserstellung der Klägerin durch die Kündigung des Versicherungsvertrages bedeute. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf ABl. 71 - 76 verwiesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.09.2013 zugestellte Urteil mit am 08.10.2013 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 06.11.2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Klägerin macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, der geltend gemachte Anspruch folge unmittelbar aus § 241 Abs. 2 BGB. Der Beklagten sei positiv bekannt, dass sie sich in finanziellen Schwierigkeiten befinde. Da diese eigene Rechte nicht einbüße, sei sie aufgrund arbeitsvertraglicher Fürsorge verpflichtet, die begehrte Erklärung abzugeben. Die Vorschriften des BetrAVG stünden nicht entgegen. Die Beklagte müsse durch Ausspruch der Kündigung daran mitwirken, dass der Rückkaufswert der streitgegenständlichen Versicherung zur Auszahlung gelange. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitsgerichts, ihr ein dort für finanziell richtig erachtetes Verhalten aufzuzwingen. Sie sei durchaus selbst in der Lage zu entscheiden, was sie für sich als das wirtschaftlich Beste ansehe. Auch unter Berücksichtigung der Tatsa...