Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzugslohn. Streik. Neue Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Durch eine mit einer Kündigung verbundenen sofortige Arbeitsfreistellung gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug und ist damit zunächst zur Zahlung von Arbeitsvergütung gem. § 615 BGB verpflichtet. Fällt dieser Annahmeverzugslohnanspruch wegen Teilnahme an einem gewerkschaftlich geführten Streik um den Abschluss eines Tarifvertrags weg, so lebt er durch den Ausspruch einer fristlosen Kündigung nicht wieder auf.
Normenkette
BGB § 615
Verfahrensgang
ArbG Herford (Urteil vom 15.12.2010; Aktenzeichen 2 Ca 1113/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 15.12.10.2010 – 2 Ca 1113/10 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten im Anschluss an einen erfolgreich geführten Kündigungsschutzprozess – betreffend die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 22.04.2010 und ordentlicher Kündigung vom 09.04.2010 – die Zahlung von Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für den Zeitraum vom 25.04. bis 15.07.2010. Dem hält die Beklagte den Einwand entgegen, die Klägerin habe sich ab dem 13.04.2010 gemeinsam mit weiteren gekündigten und ungekündigten Arbeitnehmern an dem ab diesem Tage von der Gewerkschaft geführten Streik um den Abschluss eines Haustarifvertrages beteiligt. Für die Dauer der Streikteilnahme stehe dem Arbeitnehmer auch während des Annahmeverzuges kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung zu.
Die im Jahre 1982 geborene Klägerin ist seit dem Jahre 2007 im baugewerblichen Betrieb der Beklagten als Industriekauffrau gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 1600 EUR beschäftigt.
Wie unstreitig ist, hatte die Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt, Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe mit Schreiben vom 31.03.2010 (Bl.164 d. A.) die nicht tarifgebundene Beklagte zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrages aufgefordert. Am 08.04.2010 wurde eine Tarifkommission gewählt sowie zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl die Bildung eines Wahlvorstandes in Aussicht genommen, welchem auch die Klägerin angehören sollte. Am Folgetage, dem 09.04.2010 sprach die Beklagte gegenüber dem Mitglied der Tarifkommission Haake eine fristlose Kündigung sowie gegenüber der Klägerin und den in die Tarifkommission gewählten Beschäftigten eine ordentliche Kündigung zum 30.06.2010 mit sofortiger Arbeitsfreistellung aus. Nachdem die Beklagte die Aufnahme von Tarifverhandlungen ablehnte, kündigte die Gewerkschaft mit Schreiben vom 13.04.2010 (Bl.166 d. A.) die Aufnahme eines unbefristeten Streiks für den Fall an, dass bis zum 13.04.2010, 10.01 Uhr keine Bereitschaft der Beklagten erklärt werde, Tarifverhandlungen zu führen. Der hierauf am 13.04.2010 begonnene Streik endete ohne Tarifabschluss, nachdem das Arbeitsgericht durch Urteil vom 14.07.2010 die Unwirksamkeit sämtlicher Kündigungen vom 09.04. und 22.04.2010 festgestellt hatte.
Zum Geschehensablauf am Tage vor Streikbeginn hat die Klägerin vorgetragen: Wie die Beklagte im Parallelverfahren ArbG Herford 1 Ca 995/10 (LAG Hamm 8 Sa 2222/10) im Wesentlichen bestätigt habe, seien am Montag, den 12.04.2010 die gekündigten Arbeitnehmer um 6.00 Uhr morgens erschienen, um ihre Arbeitskraft anzubieten und die Rücknahme der Kündigungen zu fordern, was von Beklagtenseite abgelehnt worden sei. Gleiches habe die Beklagte gegenüber den um 7.00 Uhr erschienenen gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten der Beklagten – etwa der Hälfte der Belegschaft – erklärt, worauf diese aus Solidarität mit den Gekündigten ihre Arbeit niedergelegt hätten. Hierauf habe die Beklagte mit Abmahnungen wegen Verletzung der Arbeitspflicht und der Erteilung eines Hausverbots durch ihren früheren Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt P1, reagiert. Ob in diesem Zusammenhang der Gewerkschaftssekretär M1 gegenüber dem Betriebsleiter S2 erklärte, im Falle der Rücknahme der Kündigungen werde man den Aussicht genommenen Streik um den Abschluss eines Haustarifvertrages zunächst einmal aussetzen, ist unter den Parteien streitig.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszuge beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4. 320,– EUR brutto abzüglich durch die Bundesagentur für Arbeit geleisteter 1.927,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
Durch Urteil vom 15.12.2010 (Bl. 67 ff. der Akten), auf welches wegen des Weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, durch ihre Beteiligung an Streikkundgebungen und das Tragen einer Streikweste habe die Klägerin dokumentiert, dass sie nicht zur Arbeit bereit und leistungswillig s...