Die Revision wird zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Günstigkeitsprinzip. Betriebsübergang. Tarifanwendung
Leitsatz (amtlich)
Eine arbeitsvertragliche Regelung, die wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 und Abs. 1 TVG nicht zulässig war, lebt auch dann nicht wieder auf, wenn sie sich nach einem Betriebsübergang in Ansehung des dann anwendbaren, anderen Tarifvertrages als günstiger erweist.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 3, 1; BGB § 613a Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 11.01.2006; Aktenzeichen 3 Ca 1113/05) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 11.01.2006 – 3 Ca 1113/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen
Tatbestand
Die Parteien streiten nach einem Betriebsübergang über die Höhe der an die Klägerin zu zahlende Stundenvergütung sowie über Sonntagszuschläge.
Die am 10.08.1961 geborene Klägerin ist seit dem 01.01.1996 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Bäckereifachverkäuferin tätig. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten).
Die Klägerin nahm ihre Beschäftigung zunächst bei der Fa. Cafe D4xxxxxxx B5xxxx GmbH in deren Cafebetrieb auf, die neben ihrem S3xxxxxxx a3 A4xxx M3xxx in B2xxxxxxx auch in den Städtischen Krankenanstalten R2xxxxxxx und Mitte je ein Cafe betrieb. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag schloss die Klägerin mit der Cafe D4xxxxxxx B5xxxx GmbH seinerzeit nicht. Die GmbH ist ausweislich einer Mitteilung der Kreishandwerkerschaft Bielefeld vom 23.12.2004 Mitglied der Bäcker- und der Konditoreninnung Bielefeld (BI. 36 d.A.). Die Klägerin war in dem letztgenannten Cafe mit fünf Kolleginnen tätig, von denen zwei weitere Mitarbeiterinnen ebenfalls gewerkschaftlich organisiert sind.
Die Beklagte wurde zum 15.05.2002 gegründet. Sie betreibt mit ca. 220 Arbeitnehmern, die ursprünglich von den S5xxxxxxxxx K2xxxxxx übernommen wurden, die Essensversorgung der Patienten der Kliniken M2xxx und R2xxxxxxx. Sie ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Deutscher Gaststätten- und Hotelverband (DEHOGA) und wendet in ihrem Betrieb die Tarifverträge des Gaststätten- und Hotelgewerbes an. Zum 1.7. 2004 übernahm die Beklagte das Cafe in den S5xxxxxxxxx K7xxxxxxxxxxxxxx R2xxxxxxx.
Mit Schreiben vom 05.11.2004 unterrichtete die Beklagte die Klägerin von einem bevorstehenden (Teil-)Betriebsübergang „… des Betriebes, in dem Sie beschäftigt sind, auf uns …” und teilte als Datum des Übergangs den 01.07.2004 mit, der allerdings zu einem späteren Zeitpunkt auf den 01.01.2005 korrigiert wurde. Weiter heißt es im Schreiben neben der Wiedergabe des Wortlautes des § 613 a BGB:
Bei ihrem jetzigen Arbeitgeber gelten die Tarifverträge des Bäckerhandwerks. Bei uns gelten – kraft Allgemeinverbindlichkeit – die Tarifverträge des DEHOGA für das Gaststättengewerbe. Das beutetet, dass Sie zukünftig nach diesem Tarifvertrag eingruppiert werden. (…) TG 6 entspricht einem Stundenlohn von 8,60 EUR brutto.
…
Der Übergang erfolg im Übrigen mit allen Rechten und Pflichten, d.h. die für Sie einschlägigen Regelungen aus dem Arbeitsvertrag gelten unverändert weiter, soweit sie nicht durch den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag des Gaststättengewerbes verdrängt werden.
…
Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf die Kopie Bl. 6, 7, 8 d.A. Bezug genommen.
Die Klägerin und die Cafe D4xxxxxxx B5xxxx GmbH schlossen nunmehr unter dem 24.11.2004 einen schriftlichen Arbeitsvertrag folgenden Inhalts (Bl. 5 d.A.):
≪ An dieser Stelle befindet sich im Originalurteil eine Bildwiedergabedes Arbeitsvertrages vom 24.11.2004 ≫
Auch die fünf Kolleginnen der Klägerin erhielten einen gleichlautenden Arbeitsvertrag, der nur in der jeweiligen tariflichen Vergütungshöhe differierte.
Soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Interesse, enthielt der maßgebliche Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk in NRW vom 26.03.1999 u.a. folgende Regelungen:
- ○ In § 5 Ziffern 1. und 4. – regelmäßige Arbeitszeit monatlich 167 Stunden
- ○ In § 6 Ziffer 3 – Sonntagszuschlag 75 %
- ○ In § 6 Ziffer 4 – (Wochen-)Feiertagszuschlag 100 %
- ○ In § 7 Ziffer 33 – Löhne und Gehälter sind Mindestsätze
- ○ In § 11 Ziffer 3 – Urlaub nach Vollendung des 30 Lebensjahres 34 Werktage nach 7, 35 Werktage nach 10 Jahren ununterbrochener Beschäftigung in Betrieben des Bäckerhandwerks; i.V.m. Ziffer 4 bei Umrechnung auf die 5-Tage-Woche 28 bzw. 29 Arbeitstage.
Des Weiteren bestimmte der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Bäckerhandwerk in NRW und den Regierungsbezirken Koblenz und Trier vom 14.01.2004 die Gehaltshöhe für Bäckereifachverkäuferinnen ab dem 5. Berufsjahr ab 01.04.2004 mit monatlich 1.677,00 EUR. Rechnet man dieses Gehalt ausgehend von der tariflichen Arbeitszeit von 167 Stunden auf einen Stundensatz um, so ergibt sich der Betrag von 10,04 EUR.
Der Manteltarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen, in Kraft seit dem 01.01.1995, bestimmt u.a. folgendes:
- ○ In § 3 Ziffer 3.1 – regelmäßige Arbeitszeit 169 Stunden, zu verteilen auf eine 5-Tage-Woche In § 3 Ziffer 3.4...