Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwei-Wochen-Frist bei außerordentlicher Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Die kündigungsberechtigte Dienststelle des öffentlichen Arbeitgebers muss sich die Kenntnis eines nicht kündigungsberechtigten Leiters eines Gymnasiums von einem Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB im Rahmen des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB zurechnen lassen.
2. Die vorbehaltlose Zustimmung des nach § 72 a Abs. 2 Satz 1 LPVG NW zu einer außerordentlichen Kündigung beteiligten Personalrats ersetzt nicht dessen nach § 72 a Abs. 1 Satz 1 LPVG notwendige Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung, auf die im Prozess im Wege der Umdeutung nach § 140 BGB zurückgegriffen wird.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Urteil vom 23.02.2006; Aktenzeichen 1 Ca 364/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes vom 10.04.2006 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 23.02.2006 – 1 Ca 364/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Für das beklagte Land wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von dem beklagten Land ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.
Der am 21.01.14xx geborene, geschiedene Kläger ist Vater eines unterhaltsberechtigten Kindes. Nach Ende der Sommerferien 2000 wurde er erstmals als Lehrer für das beklagte Land in einer Schule in G2xxxxxxxxxxx tätig. In den Sommerferien 2001 war er arbeitslos. Danach nahm er eine Tätigkeit bei der Gesamtschule W2xxx-E2xxxx auf. Zugleich bewarb er sich um eine Dauerbeschäftigung. Bei dem Städtischen Gymnasium S6xxxxx bestand im Herbst 2001 wegen des Ausfalls zweier Lehrkräfte ein besonderer Bedarf in den vom Kläger unterrichteten Fächern Biologie und Erdkunde. Deshalb trat das beklagte Land mit Verfügung vom 11.09.2001 an den Kläger heran, ab Oktober 2001 zum Städtischen Gymnasium S6xxxxx zu wechseln. Aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15.10.2001 nahm der Kläger seine Tätigkeit in S6xxxxx am 22.10.2001 im Rahmen eines nunmehr unbefristeten Arbeitsverhältnisses auf. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen sowie den Sonderregelungen für angestellte Lehrkräfte (SR 2 L BAT). Unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a BAT erzielte der Kläger zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen i.H.v. 3.816,86 EUR.
Mit Schreiben vom 20.10.2003 mahnte das beklagte Land den Kläger wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 2 BAT ab. Es warf ihm vor, er habe bereits bei der Terminierung von Klausuren, insbesondere aber bei deren Rückgabe die eindeutigen Regelungen in § 22 ASchO missachtet, wonach die Schülerinnen und Schüler einen Anspruch auf gleichmäßige Verteilung der Arbeiten auf das Schuljahr, rechtzeitige Rückgabe und Mitnahme der Arbeiten nach Hause hätten, bevor die Zeugnisnoten im Rahmen der Versetzungskonferenz festgelegt würden. Diese Vorwürfe wies der Kläger mit einer anwaltlichen Gegendarstellung vom 30.12.2003 zurück.
Am Freitag, den 11.02.2005, dem Tag der Zeugnisausgabe, hatte der Kläger unterrichtsfrei. Am Montag, den 14.02.2005, dem ersten Schultag nach den Halbjahreszeugnissen, sollten Stundenplanänderungen umgesetzt werden. Die vorgesehene Unterrichtsverteilung für das zweite Halbjahr lag mehrere Tage vor dem Halbjahresende im Lehrerzimmer zur Einsichtnahme aus. Ab 14.02.2005 sollte der Kläger Erdkunde nunmehr auch in der Klasse 9 b erteilen, da eine Lehrkraft, die im ersten Halbjahr die Klasse 9 b in Erdkunde unterrichtet hatte, zum 01.02.2005 die Freistellungsphase der Altersteilzeit angetreten hatte. Für den 14.02.2005 war der Erdkundeunterricht des Klägers in der Klasse 9 b für die vierte Stunde vorgesehen. Am Freitag, den 11.02.2005, stellte sich jedoch heraus, dass der Englischlehrer der Klasse 9 b in der Jahrgangsstufe 11 zusätzlich ein Kursprogramm der Sekundarstufe II übernehmen musste. Hierdurch wurde es erforderlich, die Erdkundestunde des Klägers von der vierten in die sechste Stunde zu verschieben. Wegen der Abwesenheit des Klägers konnte diesem die Änderung am Freitag, den 11.02.2005, nicht mehr persönlich mitgeteilt werden. Insgesamt betrug die Unterrichtsverpflichtung des Klägers 26 Stunden pro Woche, verteilt auf die erste bis sechste Stunde. Darüber hinaus leitete der Kläger außerplanmäßig eine Biologie-AG.
In der ersten großen Pause am 14.02.2005 erhielt der Kläger Kenntnis von der vorgenommenen Planänderung durch Aushang am Schwarzen Brett im Lehrerzimmer. Gemeinsam mit einem Kollegen sprach er den stellvertretenden Schulleiter H5xxx, der für die Stundenplangestaltung zuständig war, hierauf an. Er bemängelte diesem gegenüber, dass er nunmehr am jedem Tag sechs Unterrichtsstunden zu geben habe und im Übrigen auch durch weitere schulische Aktivitäten stark eingespannt sei. In der zweiten großen Pause begegnete der stellvertretende Schulleiter H5xxx dem Kläger im öffentlichen Flur. Er hielt dem Kläger vor, die...