Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentliche Änderungskündigung als Druckkündigung. Abmahnerfordernis bei falschen Beschuldigungen gegenüber Arbeitskollegen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen des betreffenden Arbeitnehmers für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen den gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind.
2. Im Fall einer verhaltensbedingten Druckkündigung ist grundsätzlich eine vorherige Abmahnung erforderlich.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 03.12.2009; Aktenzeichen 4 Ca 886/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 03.12.2009 – 4 Ca 886/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit einer fristlosen Änderungskündigung und einen Entgeltanspruch des Klägers.
Der 1962 geborene, ledige Kläger ist seit Januar 1992 bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb in S1 etwa 250 Arbeitnehmer beschäftigt, als Maschinenbediener zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt etwa 2.300,00 EUR tätig. In dem Betrieb der Beklagten besteht ein Betriebsrat.
Der Kläger, der einen Grad der Behinderung von 40 aufweist, ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Unter dem 27.03.2009 sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber schriftlich eine außerordentliche fristlose Änderungskündigung seines Arbeitsverhältnisses aus. Für diese Kündigung lag eine Zustimmung des Integrationsamtes nicht vor.
Durch Beschluss des Widerspruchsausschusses bei dem LWL-Integrationsamt Westfalen, Münster, vom 09.10.2009, bei dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 12.10.2009 eingegangen, erteilte das Integrationsamt auf den Antrag der Beklagten vom 01.04.2009 die Zustimmung zur außerordentlichen Änderungskündigung, welche die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 12.10.2009 (Bl. 142 f. d.A.), dem Kläger am selben Tag zugegangen, fristlos aussprach. Gleichzeitig bot die Beklagte dem Kläger an, „ab sofort unter geänderten Bedingungen folgende Tätigkeit auszuüben: Operator Materialwesen/Versand & Endkontrolle, siehe Arbeitsvertrag”. Als Entgelt für diese Tätigkeit ist ein Betrag von etwa 1.900,00 EUR brutto monatlich vorgesehen. Der Kläger nahm das Vertragsangebot mit Schreiben vom 23.10.2009 an unter dem Vorbehalt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht unwirksam sei. Der Betriebsrat hatte zuvor der Kündigungsabsicht zugestimmt.
Der Kündigungssachverhalt stellt sich für die Beklagte so dar:
Der Kläger habe zu Unrecht von Arbeitskollegen behauptet, diese hätten ihn gemobbt. Sie – die Beklagte – sei den entsprechenden Vorwürfen nachgegangen; diese seien jedoch offenbar unberechtigt gewesen. Die den Kläger damals vertretende IG Metall habe schließlich die von dem Kläger erhobenen Vorwürfe nicht länger aufrechterhalten. Unter dem 20.03.2009 hätten jedoch die zu Unrecht beschuldigten Mitarbeiter schriftlich geäußert, nicht mehr bereit zu sein, mit dem Kläger zusammen zu arbeiten. Daraufhin habe sie am 25.03.2009 ein Gespräch mit sämtlichen Beteiligten durchgeführt, um den Frieden in der Abteilung wieder herzustellen. Das Gespräch sei ergebnislos verlaufen. Es sei dann letztendlich die Änderungskündigung ausgesprochen worden.
Der Kläger hat durch Klageerhebung am 07.04.2009 die Kündigung vom 27.03.2009 angegriffen und sukzessive seine Klage erweitert um die jeweils monatlich anfallenden Differenzentgeltbeträge, bezogen auf das bis zum Ausspruch der ersten Änderungskündigung gezahlte Entgelt und das nach Kündigungsausspruch geleistete Entgelt einschließlich Sonderzahlungen. Zudem hat er Resturlaub beansprucht.
Mit Klageerweiterung vom 27.10.2009 hat sich der Kläger gegen die außerordentliche fristlose Änderungskündigung vom 12.10.2009 zur Wehr gesetzt.
Er hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für eine Druckkündigung hätten nicht vorgelegen. Er habe eine letztlich nicht beweisbare Anschuldigung gegenüber Arbeitskollegen zurückgezogen. Es bestehe daher keine Veranlassung für die Kollegen, nicht mehr mit ihm zusammen arbeiten zu wollen.
Der Kläger hat beantragt:
- Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen vom 27.03.2009 ab dem 31.03.2009 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis über den 27.03.2009 zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses unverändert fortbesteht.
- Es wird festgestellt, dass dem Kläger weitere 10 Urlaubstage für das Jahr 2006 zustehen, die er im Jahr 2009 in Anspruch nehmen kann.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 457,60 EUR brutto zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 457,60 EUR brutto zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 420,99 EUR brutto zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 457,60 EUR brutto zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an...