Die Revision wird für keine der Parteien zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusätzliche tarifliche Urlaubsvergütung (Urlaubsgeld). Akzessorietät. Auslegung eines Tarifvertrages. Fälligkeit. Verfall. widersprüchliches Verhalten
Leitsatz (redaktionell)
Hat ein Arbeitgeber über mehrere Jahre hinweg das zusätzliche Urlaubsgeld in Abweichung tarifvertraglicher Fälligkeitsregelungen gezahlt, so kann sich dieser aus dem Rechtsgedanken des widersprüchlichen Verhaltens später nicht auf den an den Fälligkeitszeitpunkt anknüpfenden Verfall der Ansprüche berufen.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 3, 5; BetrVG § 77 Abs. 3; BGB § 242; MTV Metall NRW § 14 Abs. 1, § 19 Nr. 4
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 08.07.2004; Aktenzeichen 2 Ca 3652/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 08.07.2004 – 2 Ca 3652/03 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.609,50 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich aus 1.126,25 EUR brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 17.12.2003, aus dem sich aus 429,20 EUR brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.2004 und aus dem sich aus 53,56 EUR brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 01.02.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf zusätzliches Urlaubsgeld für das Jahr 2003.
Der Kläger ist seit dem 07.02.1972 bei der Beklagten, zuletzt in der 35-Stunden-Woche bei einem Grundstundenlohn von 15,27 EUR beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht.
Die Beklagte, die tarifgebundenes Mitglied des Märkischen Arbeitgeberverbandes e.V. war, ist seit dem 30.04.2000 gemäß § 4 Nr. 4 dessen Satzung Mitglied dieses Verbandes ohne Tarifbindung (sog. OT-Mitgliedschaft).
Die Beklagte zahlte seit Jahren an die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 % der Vergütung, wobei die Zahlungen bis einschließlich 2002 seit mindestens 10 Jahren nicht entsprechend der Anzahl der gewährten Urlaubstage, sondern als Einmal- bzw. Zweimalzahlung zur Hälfte in den Sommermonaten geleistet wurden.
Jedenfalls in den Jahren 1994 bis 1996 sowie im Jahr 2000 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gewählten Betriebsrat hinsichtlich des Urlaubs eine Betriebsvereinbarung ab, in der auch die Art der Auszahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes geregelt wurde.
In den Jahren 2001 und 2002 wurde das zusätzliche Urlaubsgeld als Einmalbetrag gezahlt, ohne dass entsprechende Betriebsvereinbarungen abgeschlossen wurden. Im Jahr 2003 zahlte die Beklagte kein zusätzliches Urlaubsgeld an den Kläger aus.
Die Beklagte gewährte dem Kläger im Jahre 2003 am 31.03., vom 02.05. bis 16.05., vom 08.09. bis 19.09., vom 28.12.2003 bis 02.01.2004 an 30 Arbeitstagen Urlaub. Der Kläger machte mit Schreiben vom 23.09.2003 (Bl. 6 d.A.) die Zahlung der zusätzlichen Urlaubsvergütung in Höhe von 1.609,50 EUR geltend.
Nachdem auch das außergerichtliche Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 28.11.2003 erfolglos blieb, hat der Kläger mit dem am 11.12.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Zahlungsklage erhoben.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten:
Die Beklagte sei zur Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes für das Jahr 2003 in Höhe von 50 % der Grundvergütung für 30 Arbeitstage verpflichtet. Die Tatsache, dass das zusätzliche Urlaubsgeld nach § 14 des Manteltarifvertrags für die Eisen- und Elektroindustrie NRW (MTV) von der Urlaubsvergütung abhängig sei, stehe dem nicht entgegen, weil diese tarifliche Bestimmung aufgrund einer langjährigen betrieblichen Übung dahingehend abgeändert worden sei, dass das zusätzliche Urlaubsgeld als Einmalbetrag bzw. in zwei Teilbeträgen in den Sommermonaten unabhängig davon gezahlt worden sei, ob und gegebenenfalls inwieweit der einzelne Arbeitnehmer den ihm für das Kalenderjahr zustehenden Erholungsurlaub bereits genommen habe. Dementsprechend könne sich die Beklagte aufgrund dieser verbindlichen betrieblichen Übung, die aus Gründen der Vereinfachung eingeführt worden sei und im Wesentlichen der Beklagten gedient habe, auch nicht darauf berufen, dass das zusätzliche Urlaubsgeld für die am Anfang des Jahres 2003 genommenen Urlaubstage verfallen sei, weil dies jedenfalls treuwidrig wäre.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.609,50 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten:
Sie sei allenfalls zur Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes nach Maßgabe des § 14 MTV verpflichtet, der eine Akzessorietät des Urlaubsgeldes von der Urlaubsvergütung vorsehe. Auf eine abweichende Betriebsvereinbarung könne der Kläger den geltend gemachten Anspruch zum einen schon deswegen nicht stützen...