Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrente. Anpassungsverpflichtung. Abwicklungsgesellschaft. Versorgungsrückstellungen. Eigenkapitalverzinsung

 

Leitsatz (amtlich)

In der sog. Abwicklungsgesellschaft ist der Arbeitgeber verpflichtet, die aus den Versorgungsrückstellungen erwirtschafteten Erträge in vollem Umfang für die zugesagten Betriebsrenten und ihre Anpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG einzusetzen. Er ist nicht berechtigt, diese Beträge zur Erzielung einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung zu verwenden.

 

Normenkette

BetrAVG § 16 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 15.05.2007; Aktenzeichen 1 Ca 2403/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.10.2010; Aktenzeichen 3 AZR 502/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers vom 25.09.2007 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 15.05.2007 – 1 Ca 2403/06 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.559,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jährlichen Basiszinssatz aus jeweils 106,66 EUR ab 01. Januar 2006 und dem jeweiligen Ersten des Folgemonats zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, ab 01. Dezember 2007 eine Betriebsrente von monatlich 2.425,27 EUR zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, ab Dezember 2005 die betriebliche Altersversorgung des Klägers anzupassen.

Der Kläger war bis zum 31.03.1998 bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund einer entsprechenden Versorgungszusage der Beklagten bezog er seit dem 01.04.1998 eine Betriebsrente i.H.v. 4.481,00 DM, die zum 01.12.1999 auf 4.534,80 DM, was 2.318,61 EUR entspricht, erhöht wurde. Weitere Erhöhungen erfolgten nicht.

Die Beklagte, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Fa. E1 GmbH, war ursprünglich ein Straßenbauunternehmen. Nach Umsetzung von Umstrukturierungsmaßnahmen übt sie seit 2003 keine operative Tätigkeit mehr auf dem Gebiet des Straßenbaus aus. Eine Beteiligung an der Fa. E1 I1 GmbH veräußerte sie für 14,275 Mio. EUR. Ihre geschäftlichen Aktivitäten bestehen seitdem neben Abwicklungsarbeiten in der Vermögensverwaltung, namentlich der Vermietung und Verpachtung von Immobilien sowie der Bewirtschaftung ihres Vermögens und einiger Beteiligungen. Zu diesem Zweck beschäftigt sie noch wenige, zuletzt nur noch einen eigenen Arbeitnehmer. Sie ist gegenüber etwa 1.800 ehemaligen Beschäftigten verpflichtet, Betriebsrenten in einem Gesamtvolumen von derzeit etwa 4,3 Mio. EUR zu zahlen. Zusammen mit weiteren Versorgungsanwartschaften bestehen insgesamt gegenüber ca. 3.000 Personen Versorgungsverpflichtungen. Im Geschäftsjahr 2005 veräußerte die Beklagte weitere Geschäftsanteile der Fa. E1 I1 GmbH i.H.v. 1,124 Mio. EUR, im Geschäftsjahr 2006 ihre 50%ige Beteiligung an der Firma S1 GmbH für 20,89 Mio. Für das Jahr 2007 war eine Gewinnausschüttung an die Muttergesellschaft der Beklagten in Höhe von 15 Mio. EUR vorgesehen.

Im Zusammenhang mit der Prüfung einer möglichen Anpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG hat die Beklagte bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W2 & K2 ein Gutachten über die Eigenkapitalrendite der Geschäftsjahre 2003 bis 2008 erstellen lassen. Das Gutachten kommt zu folgendem Ergebnis.

„Aufgrund unserer Ermittlung, die wir anhand der uns vorgelegten Unterlagen und Nachweise unter analoger Anwendung der Grundsätze für Unternehmensbewertungen des IDW S1 vorgenommen haben, kommen wir zu dem Ergebnis, dass T1 in den Jahren 2003 bis 2008 folgende bereinigte handelsrechtliche Jahresergebnisse erzielt hat bzw. laut Planung erzielen wird:

2003 TEUR

2004 TEUR

2005 TEUR

2006 TEUR

2007 TEUR

2008 TEUR

1.808

- 7.695

- 509

21.283

600

570

Das Planergebnis 2006 ist maßgeblich geprägt durch den zum Zeitpunkt unserer gutachterlichen Tätigkeit bereits realisierten Buchgewinn aus der Veräußerung der Anteile an der S1 GmbH.

Die Überleitung der Ergebnisse gemäß handelsrechtlicher Gewinn- und Verlustrechnung zu vorstehenden bereinigten Jahresergebnissen ist im Einzelnen in Anlage 1 dargestellt.

Auf Basis der in Anlage 2 errechneten durchschnittlichen Eigenkapitalien ergeben sich damit folgende Eigenkapitalrenditen:

2003 %

2004 %

2005 %

2006 %

2007 %

2008 %

5,4

- 60,3

- 5,9

106,2

2,5

3,3

Unsere auftragsgemäß zusätzlich vorgenommene Beurteilung der (nominellen) Substanzerhaltung der T1 seit dem Erwerb ihrer Anteile durch die E1 GmbH kommt zu dem Ergebnis, dass das Eigenkapital der Gesellschaft – ohne Berücksichtigung von Einlagen und Zuschüssen des Gesellschafters – in den Geschäftsjahren 1999 bis 2005 durch Gewinne und Verluste von per Saldo – TEUR 71.618 ausgezehrt worden ist.”

Die Eigenkapitalrendite hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft anhand der Jahresergebnisse wie folgt ermittelt:

2003IstTEURO

2004IstTEUR

2005IstTEUR

2006PlanTEUR

2007PlanTEUR

2008PlanTEUR

Jahresergebnis laut handelsrechtlicher Gewinn- und Verlustrechnung

16.582

- 8.672

355

22.520

600

570

Bereinigung um bestimmte außerordentliche und periodenfremde Aufwendungen und Erträge

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