Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitwirkungsrecht des Personalrats bei Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit eines Beamten
Leitsatz (redaktionell)
1. a) § 27 BeamtStG regelt die Rechtsfolge der begrenzten Dienstfähigkeit nicht abschließend und zwingend; denn der Dienstherr hat sich nach Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens eine Überzeugung von der Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit zu verschaffen; er hat das amtsärztliche Gutachten zu bewerten und die Entscheidung zu treffen, ob eine Versetzung in den Ruhestand oder eine Herabsetzung der Arbeitszeit im Hinblick auf die begrenzte Dienstfähigkeit zu erfolgen hat.
b) Er muss, da § 27 Abs. 1 Satz BeamtStG als Sollvorschrift ausgestaltet ist, sein pflichtgemäßes Ermessen ausüben; der äußeren Form nach muss er seine Entscheidung in eine dienstliche Verfügung umsetzen; Diese hat Auswirkungen sowohl auf den Beamten als auch auf den Geschäftsbereich der Dienststelle.
2. Vor diesem Hintergrund ist entsprechend dem Sinn und Zweck der Mitwirkung des Personalrats, ihm die Möglichkeit der Erörterung und der Einflussnahme durch Darstellung von Bedenken im Sinne der Richtigkeitskontrolle zu geben, ein Mitwirkungsrecht bei der Herabsetzung der Arbeitszeit im Falle begrenzter Dienstfähigkeit zu bejahen.
Normenkette
BeamtStG § 27 Abs. 1-2; BeamtStGB § 27 Abs. 1-2; PersVG NRW § 5 Abs. 3, § 69 Abs. 1, § 73 Nr. 2; SGB VII § 144
Verfahrensgang
ArbG Minden (Entscheidung vom 15.04.2011; Aktenzeichen 3 Ca 40/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 15.04.2011 - 3 Ca 40/10 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 16.12.2009 mit Wirkung ab dem 01.01.2010 angeordnete Kürzung der Arbeitszeit auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit und die entsprechende Kürzung der Vergütung unwirksam sind.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Hinblick auf eine begrenzte Dienstfähigkeit des Klägers zu Recht seine Arbeitszeit auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit herabsetzte.
Der am 20.10.1960 geborene, verheiratete Kläger war bei der Beklagten mit einer anrechenbaren Dienstzeit seit dem 19.07.1984 beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegen Dienstverträge vom 24.09.1984 und 01.02.1988 (Bl. 4, 5 d.A.) zugrunde. Gemäß § 1 des Dienstvertrags vom 24.09.1984 wurde der Kläger der Dienstordnung für die Angestellten der Allgemeinen Ortskrankenkasse M1 - L1 - unterstellt. Mit der Vereinbarung vom 01.02.1988 wurde der Kläger in ein Dienstverhältnis auf Lebenszeit übernommen.
Die Arbeitsverhältnisse der Dienstordnungsangestellten bestimmen sich nach der Dienstordnung der Beklagten vom 23.03.2000 (Bl. 147 bis 163 d.A.). Nach § 15 der Dienstordnung stehen Angestellte auf Lebenszeit in einem Dienstverhältnis, das dem eines Landesbeamten auf Lebenszeit entspricht.
§ 18 der Dienstordnung lautet auszugsweise wie folgt:
(1) Soweit nicht durch besondere gesetzliche Vorschrift oder in dieser Dienstordnung etwas anderes bestimmt ist, gelten für die Angestellten und die Versorgungsempfänger entsprechend oder sinngemäß die jeweiligen Vorschriften für Landesbeamte über …
b) Eintritt und Versetzung in den Ruhestand und in den einstweiligen Ruhestand sowie die erneute Berufung in das Beamtenverhältnis, …
(2) Bei der entsprechenden oder sinngemäßen Anwendung beamtenrechtlicher, besoldungsrechtlicher oder versorgungsrechtlicher Vorschriften steht die Tätigkeit bei einer Betriebskrankenkasse der Tätigkeit im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn gleich.
Nach § 23 der Dienstordnung ist der Vorstand zuständig, soweit in beamtenrechtlichen Vorschriften, auf die die Dienstordnung verweist, die Zuständigkeit für dienstrechtliche Entscheidungen besonders geregelt ist.
Nach § 24 c der Dienstordnung endet der Arbeitsverhältnis durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand.
Der Kläger war seit dem 29.09.2008 durchgehend dienstunfähig.
Mit Schreiben vom 07.07.2009 (Bl. 7, 8 d.A.) empfahl die Amtsärztin D1. L2 den Einsatz des Klägers nach Ende der Dienstunfähigkeit mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit wegen seiner begrenzten Dienstfähigkeit, sollte es nicht in absehbarer Zeit zu einer Wiedereingliederung kommen.
Mit Schreiben vom 21.10.2009 (Bl. 9 d.A.) führte sie aus:
Aufgrund der aktuellen Untersuchungen kann zusammenfassend festgestellt werden, dass bei der vorliegenden Erkrankung Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit bestehen. Da es sich um eine langjährige chronische Erkrankung handelt und Risikofaktoren zwischenzeitlich erfolgreich minimiert wurden, ist davon auszugehen, dass nach meiner Einschätzung weiterhin Teildienstfähigkeit erhalten ist. Ich beurteile die Dienstfähigkeit für 50 % der regulären Arbeitszeit mit der Gewährung einer verlängerten Erholungspause von 30 min. bis 60 min. während dieser Zeit als gegeben. Des Weiteren schätze ich die Leistungsfähigkeit weiterhin so ein, dass eine kurzfristige Wied...