Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Anspruchs einer Pflegekraft auf Zahlung einer Coronaprämie. Begriff der Unterbrechung im Sinne von § 150a Abs. 5 SGB IX
Leitsatz (amtlich)
1. Eine "Unterbrechung" im Sinne des § 150a Abs. 5 SGB IX setzt voraus, dass eine Tätigkeit zunächst aufgenommen worden ist und nach der Abwesenheit - wenn auch nur für einen Tag - weitergeführt wird.
2. Eine Tätigkeit im Sinne des § 150a Abs. 5 SGB IX verlangt eine tatsächliche, faktische Arbeitsleistung bzw. Anwesenheit im Betrieb und nicht nur das bloße Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zur Pflegeeinrichtung mit einer regelmäßigen oder üblichen Arbeitszeit.
Normenkette
SGB IX § 150a
Verfahrensgang
ArbG Herne (Entscheidung vom 09.03.2022; Aktenzeichen 1 Ca 1561/21) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 09.03.2022 - Az. 1 Ca 1561/21 - abgeändert und die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Corona-Prämie für das Jahr 2020.
Die Klägerin war bei der Beklagten, die einen Pflegedienst betreibt, aufgrund Arbeitsvertrages vom 07.07.2017 (Bl. 147 ff. d.A) seit dem 17.07.2017 als Krankenpflegehelferin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Wochenstunden beschäftigt. Vollzeitkräfte werden bei der Beklagten mit 40 Wochenstunden beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung mit dem 17.06.2020.
Vom 22.05.2020 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 17.06.2020 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte hat die Zahlung der Corona-Hilfe für das Jahr 2020 unter Hinweis auf § 150a Abs. 2 SGB XI (idF vom 19.05.2020) verweigert mit der Begründung, dass ein Anspruch nur bestehe für Arbeitnehmer, die zwischen dem 01.03.2020 bis zum 31.10.2020 mindestens drei Monate in einer zugelassenen oder für eine zugelassene Pflegeeinrichtung tätig gewesen seien. Diese Voraussetzung habe die Klägerin aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit ab dem 22.05.2020 nicht erfüllt.
Mit ihrer am 30.08.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung einer Corona-Prämie für das Jahr 2020 weiterverfolgt. Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass sie sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung einer Coronahilfe für das Jahr 2020 erfülle, insbesondere eine dreimonatige Tätigkeit zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.10.2020. Die Beklagte habe zu Unrecht den gesamten Arbeitsunfähigkeitszeitraum ab dem 22.05.2020 bei Berechnung der dreimonatigen Tätigkeitsdauer unberücksichtigt gelassen, denn gemäß § 150a Abs. 5 Nr. 1 SGB XI sei eine Unterbrechung von bis zu 14 Kalendertagen unbeachtlich. Aufgrund dessen seien von den 28 Fehltagen der Klägerin 14 Tage in Abzug zu bringen, so dass die Unterbrechung erst ab dem 04.06.2020 zu berücksichtigen sei mit der Folge, dass die Klägerin die dreimonatige Tätigkeitsdauer im Bemessungszeitraum aufweise. Die begehrte Zahlung setzte sich der Höhe nach zusammen aus einer Corona-Prämie i.H.v. 1.000,00 gemäß § 150a Abs. 2 Nr. 1 SGB XI sowie einer Aufstockung i.H.v. 500,00 gemäß § 150a Abs. 9 Nr. 1 SGB XI iVm Nr. 2 1a des nordrhein-westfälischen Erlasses zur "Aufstockung der Corona-Prämie mit Landesmitteln für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung oder eines Werks- oder Dienstleistungsvertrages in Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden und deren Arbeitgeber Verträge mit Pflegeeinrichtungen innerhalb und Außerhalb Nordrhein-Westfalens geschlossen haben".
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.500,00 netto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des § 150a Abs. 2 Nr. 1 SGB XI nicht erfülle. Die offzielle Festlegung der Art und Weise der Prämienzahlung ergebe sich aus den "Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150 a Abs.7 SGB VI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen vom 29.05.2020". Nach dessen Ziffer 2 Abs. 3 seien krankheitsbedingte Fehlzeiten von mehr als 14 Tagen (Ausnahme: COVID-19-Erkrankung des Mitarbeiters) insgesamt nicht bei Berechnung der dreimonatigen Tätigkeitsdauer im Bemessungszeitraum zu berücksichtigen. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin habe im Bemessungszeitraum gemäß § 150a Abs. 2 Nr. 1 SGB XI nur bis zum 17.06.2020 bestanden. Da die Klägerin ab dem 22.05.2020 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und ihre Arbeitsunfähigkeit in dem maßgeblichen Bemessungszeitraum die zulässige Unterbrechung von 14 Kalendertagen überschritten habe, könne der gesamte Arbeitsunfähigkeitszeitraum von 28 Tagen bei Berechnung der dreimonatigen Tätigkeitsdauer im Bemessungszeitraum nicht berücksichtigt werden.
Das Arbeitsgericht Herne hat der Klage mit Urteil vom 09.03.2022 (Az. 1 Ca 1561/21), ...