Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Formularregelung "Arbeitnehmer erhält eine Vergütung nach BAT IV a. Zulässigkeit der Regelung der Arbeitsbedingungen in einer Betriebsvereinbarung durch Verweisung auf einzelne Tarifnormen (u.a. tarifliche Verfallfristen) und Regelungssperre zugunsten der Tarifautonomie, § 77 Abs. 3 BetrVG.. Regelung von Arbeitsbedingungen durch Verweisung auf Tarifnormen in Betriebsvereinbarung- zur Regelungssperre zugunsten der Tarifautonomie
Leitsatz (redaktionell)
Dynamische Verweisung auf Entgeltgruppe eines Tarifvertrags ist möglich. Arbeitsbedingungen, die Gegenstand eines Tarifvertrages sind, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.
Normenkette
BGB § 611; BetrVG § 77 Abs. 3; TVöD § 37
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 05.07.2011; Aktenzeichen 3 Ca 2549/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 05.07.2011 - 3 Ca 2549/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Restvergütungsansprüche des Klägers, wobei hauptsächlich die Frage streitig ist, ob die Beklagte zur Weitergabe der Tariflohnerhöhungen und zur Berücksichtigung der Stufenaufstiege bei der Berechnung der Vergütungshöhe verpflichtet ist.
Die Beklagte, bei der ein Betriebsrat gewählt ist, ist mit der Durchführung von Veranstaltungsaufgaben, insbesondere Tagungen, Kongressen, öffentlichen Veranstaltungen und Festen, Märkten sowie Ausstellungen und Messen befasst. Sie könnte aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung der Stadt M1 Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband NRW (KAV NW) werden.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.01.1988 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09.12.1987 beschäftigt. Dieser Arbeitsvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
"§ 3
Herr L1 erhält eine Vergütung in Anlehnung an BAT IV a.
§ 4
Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, dass sich sowohl alle übrigen Rechte als auch die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis nach den Bestimmungen der für die Halle M2 jeweils gültigen Betriebsvereinbarung richten, die somit Grundlage dieses Arbeitsvertrages ist."
Die im § 3 des Arbeitsvertrages erwähnten Betriebsvereinbarungen enthielten seit vielen Jahren Regelungen zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer. Zuletzt schlossen die Betriebsparteien insoweit am 08.02.2001 eine Betriebsvereinbarung, die u.a. folgende Regelung enthält:
"§ 2
Anwendung von Tarifverträgen
1. Soweit in dieser Vereinbarung keine besonderen Regelungen getroffen sind, werden Bestimmungen der Tarifverträge BAT und BMT-G in der Fassung vom 01.08.2000 sowie NGG in der Fassung vom 01.01.1995 auf die Beschäftigungsverhältnisse wie folgt angewandt:
A. Mitarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich:
a) Angestellte (BAT)
Der § 4 (Arbeitsvertrag, Nebenabreden), § 5 (Probezeit), § 7 (Ärztliche Untersuchung), § 8 (Allgemeine Pflichten), § 9 (Schweigepflicht), § 10 (Belohnungen und Geschenke), § 11 (Nebentätigkeit), § 13 (Personalakten), § 14 (Haftung), § 18 (Arbeitsversäumnis), § 37 (Krankenbezüge), § 38 (Forderungsübergang bei Dritthaftung), § 40 (Beihilfen), § 41 (Sterbegeld), § 42 (Reisekostenvergütung), §§ 47-52 (Urlaub, Sonderurlaub, Arbeitsbefreiung), §§ 53-61 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses), (§ 63 Abs. 3 findet keine Anwendung), §§ 62-64 (Übergangsgeld) und § 70 (Ausschlussfristen des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT).
Bis zum September 2005 zahlte die Beklagte dem Kläger eine Vergütung nach Aufstieg nach Entgeltgruppe III des BAT gezahlt. Bis September 2005 gewährte die Beklagte im Ergebnis sämtliche Tariflohnerhöhungen nach dem BAT bzw. BMT-G den danach bzw. in "Anlehnung danach" vergüteten Beschäftigten, wobei die zum 01.05.2004 vereinbarten Tariflohnerhöhungen von der Beklagten erst mit Wirkung zum 01.07.2004 gewährt wurden. Die tariflichen Stufenaufstiege wurden bis September 2005 zumindest in einem Zweijahresrhythmus gewährt.
Nachdem u.a. der BAT BAT im Bereich des Bundes und der Kommunen durch den TVöD mit Wirkung zum 01.10.2010 abgelöst wurde, fand bei der Beklagten am 05.10.2010 einer Mitarbeiterversammlung statt, in der die Geschäftsführerin der Beklagten, Frau Dr. P1, mitteilte, dass die Mitarbeiter der Beklagten nunmehr eine Vergütung nach dem TVöD erhalten würden. Ob den Beschäftigten der Beklagten letztlich die Unterrichtung über den TVöD mit Powerpoint-Präsentation gezeigt wurde oder ob diese Präsentation lediglich dem Betriebsrat vorgeführt wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Wegen der Einzelheiten dieser Powerpoint-Präsentation wird auf Bl. 21, 22 d.A. Bezug genommen.
Seit der Umstellung auf den TVöD wurde der Kläger auf Grundlage der Entgeltgruppe 11 / Stufe 6, individuelle Zwischenstufe 3961,66 € brutto, bei 38,5 Wochen-Stunden (166,9 Stunden pro Monat) vergütet. Nach der Umstellung der Vergütungsberechnung auf ...