Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung gezahlter Leistungs- und Akkordzulagen auf den Mindestlohn
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Anrechnung von Leistungen auf den gesetzlich begründeten Mindestlohn ist darauf abzustellen, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten soll, die mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten ist. Hiervon ist bei einer gemeinsam mit der Grundvergütung monatlich ausgezahlten Leistungszulage auszugehen.
Normenkette
MiLoG § 1 Abs. 1, 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Herford (Entscheidung vom 30.10.2015; Aktenzeichen 1 Ca 935/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 30.10.2015, Az. 1 Ca 935/15, abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine von der Beklagten gezahlte Leistungs-/ Akkordzulage auf den Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz anrechenbar ist.
Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 26.08.2002 bei der Beklagten, die elektronische Baugruppen entwickelt und produziert, als Montagehelferin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Sie ist Mitglied des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrats.
Hinsichtlich der Vergütung ist im Arbeitsvertrag der Parteien folgendes vereinbart:
"§ 3 Vergütung
Die Vergütung des Mitarbeiters erfolgt grundsätzlich im Akkordlohn.
Der vereinbarte Grund-Stundenlohn beträgt
EUR 6,22
brutto.
Der Akkordlohn ist ein Stückakkord. Die Leistungszulage errechnet sich aus der erreichten Stückzahl und beträgt bis zu 35 % des Grundlohns. Für jedes Teil (gefertigtes/montiertes) Stück wird ein Geldfaktor in EUR pro Stück ermittelt.
Der Geldfaktor errechnet sie wie folgt: Geldfaktor = Grundlohn (EUR/Stück)
Stückzahl 100 % (Stück/Stunde).
Wird der Arbeitnehmer regelmäßig im Akkordlohn entlohnt und vorübergehend nicht an einem Akkordarbeitsplatz eingesetzt, so wird diese Zeit grundsätzlich im Akkorddurchschnitt bezahlt. Der Akkorddurchschnitt errechnet sich aus den Akkordstunden und der Leistungszulage/Stunde der letzten 3 Abrechnungsmonate vor dem aktuellen Abrechnungsmonat.
Grundlohn und Leistungszulage werden in der Abrechnung getrennt ausgewiesen."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Arbeitsvertrages vom 05.08.2002, Bl. 4 ff. d. A. verwiesen.
Die Parteien haben beispielhaft eine Vorgabezeitermittlung zur Akte gereicht. In dieser ist die Vorgabezeit für 100 Stück mit 144,28 Minuten angegeben und der Berechnungsfaktor für den Lohn mit 0,1496 €/Stück. Hieraus ergibt sich pro Stunde eine Vorgabe von 100 Stück : 144,28 Minuten X 60 Minuten = 41,58 Stück. Diese Stückzahl multipliziert mit dem Geldfaktor pro Stück ergibt einen Stundenlohn von 6,22 Euro. Bei einer Leistung von 56,13 Stück pro Stunde (135 %) beträgt der Stundenlohn 8,397 Euro und bei einer Leistung von 57 Stück pro Stunde (137 %) 8,527 Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Vorgabezeitermittlung vom 08.12.2010, Bl. 13 d. A. verwiesen.
Circa 2012 wurde der Stundenlohn für die nicht im Akkord beschäftigten Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten von 8,40 EUR auf 8,50 EUR pro Stunde erhöht. Der Berechnungsfaktor für den Lohn der Klägerin blieb unverändert. Stattdessen wurde die maximal erzielbare Leistungszulage mit Betriebsvereinbarung vom 16.01.2013 von 35 % auf nunmehr 37 % des Grundlohnes erhöht.
Die Klägerin erhält mit ihrer Entgeltabrechnung ein Blatt "Akkord Montage Detail - Auswertung", das für jeden Tag des Monats die Tätigkeit, die Stunden, die Menge, den Faktor, den Betrag, den Stundenlohn und weitere Daten ausweist. Aus diesen "Akkord Montage Detail - Auswertungen" ergibt sich ein erzielter Stundenlohn von beispielsweise 8,55 EUR, 8,59 EUR oder 8,54 EUR, der allerdings bei einem Leistungsgrad von 137 % und damit bei 8,52 EUR gekappt wird.
Im streitgegenständlichen Zeitraum von Juni 2015 bis einschließlich August 2015 hat die Klägerin für alle abgerechneten Stunden einen Stundenlohn von 8,52 Euro brutto erhalten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtungen der Entgeltabrechnungen Juni 2015 bis August 2015, Bl. 14-16 d. A. verwiesen.
Mit Schreiben der IG Metall vom 16.04.2015 hat die Klägerin die Zahlung eines Grundlohnes von 8,50 Euro brutto zzgl. eines Akkordaufschlages von 37 v.H. auf diesen Grundlohn geltend gemacht. Dies hat die Beklagte mit Schreiben vom 30.04.2015 abgelehnt.
Mit ihrer am 01.10.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche auf Zahlung eines Grundlohnes von 8,50 Euro zzgl. einer Leistungszulage von 37 % hierauf weiter.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Akkordzuschlag könne nicht auf den Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz angerechnet werden. Auf den Mindestlohn könnten nur solche Lohnbestandteile angerechnet werden, durch welche die arbeitsvertraglich vereinbarte, die sogenannte normale Tätigkeit des Arbeitnehmers vergüte...