Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalratsmitglied. Freistellung. Vergütungsanspruch. hypothetischer Aufstieg. Benachteiligungsverbot. betriebsübliche berufliche Entwicklung. Leistungs-, Feststellungsantrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 7 Abs. 1 LPVG NW dürfen Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach diesem Gesetz wahrnehmen, darin nicht behindert werden und wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. In § 42 Abs. 3 S. 4 LPVG NW ist darüber hinaus ausdrücklich bestimmt, dass die Freistellung eines Personalratsmitglieds keine Minderung der Besoldung oder des Arbeitsentgelts zur Folge hat und auch nicht zur Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs führen darf. Diese Regelungen sind vergleichbar mit § 8 und in § 46 Abs. 3 S. 6 BPersVG sowie § 78 S. 2 BetrVG. Die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung kann herangezogen werden.
2. Um zu ermitteln, ob der Amtsträger bei einer Freistellung für Personalratstätigkeiten in seinem beruflichen Aufstieg benachteiligt wurde, muss sein beruflicher Werdegang ohne die Freistellung nachgezeichnet werden. Durch eine solche fiktive Nachzeichnung darf er weder besser noch schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer Arbeitnehmer ohne Personalratsamt.
3. Will der Amtsträger geltend machen, dass er ohne Ausübung seines Amts oder ohne die Freistellung durch Beförderungen einen beruflichen Aufstieg genommen hätte, hat er hierzu mehrere Möglichkeiten.
Er kann zum einen dartun, dass seine Bewerbung auf eine bestimmte Stelle gerade wegen seiner Freistellung und/oder seiner Personalratstätigkeit erfolglos geblieben ist.
Hat sich der Amtsträger auf eine bestimmte Stelle tatsächlich nicht beworben, kann und muss er zur Begründung des fiktiven Beförderungsanspruchs darlegen, dass er die Bewerbung gerade wegen seiner Freistellung unterlassen hat und eine Bewerbung ohne die Freistellung entweder erfolgreich gewesen wäre, oder bei einer Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG, die nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber vorzunehmen ist, erfolgreich hätte sein müssen.
Schließlich kann sich ein Anspruch eines freigestellten Personalratsmitglieds auf Höhergruppierung auch ohne Bewerbung auf eine freie Stelle daraus ergeben, dass der öffentliche Arbeitgeber Angestellte mit bestimmten Laufbahnvoraussetzungen nach feststehenden Maßstäben und/oder Zeitabläufen auf frei werdende oder neu geschaffene Stellen einer höheren Vergütungsgruppe befördert und Personalratsmitglieder wegen ihrer Freistellung hiervon ausnimmt. Dabei ist wie bei § 37 Abs. 4 BetrVG auf die betriebsübliche berufliche Entwicklung nicht freigestellter Kollegen abzustellen. Nicht ausreichend für die Betriebsüblichkeit ist, dass einige andere Arbeitnehmer einen entsprechenden beruflichen Aufstieg genommen haben. Der Geschehensablauf muss vielmehr so typisch sein, dass aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich, d.h. wenigstens in der überwiegenden Mehrheit der vergleichbaren Fälle damit gerechnet werden kann.
Normenkette
LPVG NW § 7 Abs. 1, § 42 Abs. 3 S. 4; BPersVG §§ 8, 46 Abs. 3 S. 6; BetrVG § 37 Abs. 4, § 78 S. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 22.09.2010; Aktenzeichen 3 Ca 915/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 22.09.2010 – 3 Ca 915/10 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger als Mitglied des Personalrates unter Berücksichtigung der beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer oder seines fiktiven beruflichen Werdeganges eine höhere Vergütung zusteht.
Der am 29.07.1951 geborene Kläger absolvierte nach einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann ein Studium an der Fachhochschule B1 und schloss dieses Studium im Juli 1977 als graduierter Betriebswirt ab.
Seit dem 18.02.1980 war er zunächst befristet im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von der Beklagten im Amt für Statistik eingestellt worden und arbeitete zunächst in der EDV-Abteilung in den Bereichen Maschinenbedienung und Programmierung. Mit Wirkung ab 15.11.1982 wurde er als Angestellter unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vc BAT als Programmierer in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis übernommen. Nach Bestehen der zweiten Angestelltenprüfung für den gehobenen Dienst wurde er ab 19.12.1986 in die Vergütungsgruppe Vb BAT – Tarifvertrag für Angestellte in der Datenverarbeitung – und ab 01.12.1987 in die Vergütungsgruppe IVb BAT eingruppiert. Zuletzt erhielt er bis zum 14.10.1996 eine Bezahlung nach den Vergütungsgruppen IVa/III BAT – Tarifvertrag für Angestellte in der Datenverarbeitung.
Nachdem die Programmierarbeiten im Amt für Statistik zurückgegangen waren, wurden dem Kläger zusätzliche Organisationsaufgaben (Ämtersachbearbeitung/Verwaltungsunterbringung) übertragen und er mit Wirkung ab 15.10.1996 innerhalb de...