Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Einsatz als Vertretungskraft. Kausalzusammenhang zwischen Ausfall des Vertretenen und befristeter Einstellung der Vertretungskraft. Befristete Einstellung für Zeiten der Elternzeit. Kein institutioneller Rechtsmissbrauch bei mehreren Befristungen innerhalb bestimmter zeitlicher Grenzen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Grund für eine Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis.
2. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall der Stammkraft und der befristeten Einstellung der Vertretungskraft ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist.
3. Ein sachlicher Grund für die Befristung liegt auch dann vor, wenn die Einstellung der Vertretungskraft für die Elternzeit oder Teile der Elternzeit erfolgt.
4. Eine umfassende Missbrauchskontrolle bei mehrfachen Befristungen ist regelmäßig nicht geboten, wenn nicht mindestens das Vierfache eines der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bestimmten Werte oder das Dreifache beider Werte überschritten ist.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 3, Abs. 2 S. 1, § 17 S. 2; KSchG § 7; BEEG § 21 Abs. 1; BGB § 242; LBG NRW §§ 24-25
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 09.06.2022; Aktenzeichen 1 Ca 1971-21) |
Tenor
- Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 09.06.2022 - 1 Ca 1971/21 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.
Das beklagte Land beschäftigt an den 56 Grundschulen im Landkreis A ca. 1250 Lehrkräfte.
Die am 12.06.1968 geborene Klägerin ist ausgebildete pharmazeutisch-technische Assistentin und nicht als Lehrkraft ausgebildete Person (sog. "Nichterfüller"). Sie verfügt über Fortbildungen an der TU B und ein abgeschlossenes Zertifikatstudium "Deutsch als Zweitsprache im schulischen und außerschulischen Kontext" und "DAZ im sprachsensiblen Fachunterricht" der Universität C. Zudem hat sie sich im Bereich der Alphabetisierung und der alternativen Lernmethoden spezialisiert.
Ursprünglich war die Klägerin mit Arbeitsvertrag vom 10.05.2017 zunächst befristet vom 15.05.2017 bis zum 14.07.2017 als Vertretung der sich in Elternzeit befindlichen Lehrerin D. an der E schule in F beschäftigt. An diesen Arbeitsvertrag schlossen sich insgesamt 12 Änderungsverträge an. Elfmal wurde der befristete Arbeitsvertrag unter Verweis auf andere Vertretungsfälle an verschiedenen anderen Schulen im Kreis A verlängert. Die mit Änderungsvertrag vom 25.11.2020 (Bl. 17 d.A.) vereinbarte Verlängerung bis zum 17.08.2021 wurde zunächst auf die Elternzeit der Sonderpädagogin G. gestützt und unter dem 27.01.2021 (Bl. 18 d.A.) auf die Vertretung der in Elternzeit befindlichen Lehrerin H. gestützt. Durch den weiteren und letzten Änderungsvertrag vom 11.08.2021 (Bl. 29 d.A.) wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien für die Zeit vom 17.08.2021 bis zum 08.10.2021 unter Bezugnahme auf die Elternzeit der Lehrerin I. , Grundschule J verlängert. Im gesamten Zeitraum war die Klägerin in der E schule F tätig und unterrichtete im Wesentlichen im Bereich DAZ (Deutsch als Zweitsprache). Zusammen mit der Übersendung des Arbeitsvertrages vom 08.10.2021 wurde der Klägerin im Anschreiben mitgeteilt, dass eine weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht beabsichtigt sei.
Die Aufgaben in der Deutschförderung werden auch beim Erwerb von Deutsch als Zweitsprache in der Regel durch studierte Lehrkräfte entweder direkt im Unterricht oder als Zusatzangebot wahrgenommen. Während die studierten Lehrkräfte die Aufgaben selbständig wahrnehmen, führen die sog. "Nichterfüller" diese jeweils nur in Absprache mit ausgebildeten Lehrkräften aus.
I. ist ausgebildete und verbeamtete Lehrerin. Sie hat zwei Staatsexamina abgelegt, ihr Studienschwerpunkt lag im Fach Deutsch, daneben war ihr weiteres studiertes Fach Gesellschaftswissenschaften. Sie war in der Vergangenheit auch zu fachfremdem Unterricht eingeteilt. Als Mutter zweier Kinder ist sie seit dem 04.08.2017 durchgehend in Mutterschutz bzw. Erziehungsurlaub. Diese Abwesenheitszeiten hat sie fortlaufend beantragt. Inzwischen arbeitet Frau I. im Rahmen der Elternteilzeit wieder 8 Stunden. Ihre Elternzeit ist zuletzt bis zum 04.08.2023 befristet worden. Während ihrer Abwesenheit wird ihre Tätigkeit an der Grundschule J nicht vertreten. Im Umfang der von der Klägerin zule...