Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer nach dem 01.01.2002 vereinbarten Verweisungsklausel auf den BAT als Gleichstellungsabrede, weil beide Vertragsparteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags tarifgebunden waren?. Auslegung von Arbeitsverträgen. Bezugnahmeklausel auf BAT. Nicht mehr bestehende Tarifgebundenheit
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Austritt aus dem Arbeitgeberverband kann eine Bindung an einen Tarifvertrag dann nicht ausschließen, wenn der Austritt nach Beginn der Tarifverhandlungen, aber vor Unterzeichnung des Tarifvertrages erfolgt und für die beteiligte Gewerkschaft der Austritt vor dem endgültigen Tarifabschluss nicht erkennbar war.
2. Eine individualvertragliche Klausel, die ihrem Wortlaut nach ohne Einschränkung auf einen bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung verweist, ist im Regelfall dahingehend auszulegen, dass dieser Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung gelten soll und dass diese Geltung nicht von Faktoren abhängt, die nicht im Vertrag genannt oder sonst für beide Parteien ersichtlich zur Voraussetzung gemacht worden sind. 3. Die Bezugnahmeklausel kann bei einer etwaigen Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag grundsätzlich keine andere Wirkung haben als bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber: In beiden Fällen unterliegt die in der Bezugnahmeklausel liegende Dynamik keiner auflösenden Bedingung. 4. Ohne den klarstellenden Hinweis, die Bezugnahmeklausel greife nicht ein, soweit auf das Arbeitsverhältnis Tarifvertragsvorschriften aufgrund der Tarifgebundenheit der Parteien anzuwenden seien, reicht allein die Tatsache der beiderseitigen Tarifbindung nicht aus, die Zustimmung der Erklärung der Klägerin zu der Bezugnahmeklausel als Zustimmung dahin zu verstehen, dass allein ein Geltungsgrund für die Anwendung der Tarifvorschriften, nämlich die Tarifbindung gegeben und die vertragliche Vereinbarung nur eine Gleichstellungsklausel sein soll.
Normenkette
BGB §§ 130, 147, 151 S. 1, § 305 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 3, § 5 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 09.02.2012; Aktenzeichen 1 Ca 1801/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.02.2012 - 1 Ca 1801/11 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 a Stufe 4 TVöD-K ab dem 01.01.2011 und nach der Entgeltgruppe 7 a Stufe 5 TVöD-K ab dem 01.10.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 218,18 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst in der Fassung für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) zur Bemessung der klägerischen Vergütung.
Die am 26.02.1978 geborene Klägerin ist seit dem 01.10.2002 als Krankenschwester bei dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Krankenhauszweckverband W1, und der Beklagten gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.358,31 Euro brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt.
Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 01.10.2002 (Bl. 111, 112 der Akte) zugrunde. Nach § 2 des Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Nach § 4 des Arbeitsvertrages war die Klägerin in die Vergütungsgruppe KR IV BAT eingruppiert. Gemäß § 5 des Arbeitsvertrages sind Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages einschließlich von Nebenabreden sowie Vereinbarungen weiterer Nebenabreden nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.
In der Folgezeit schlossen die Parteien mehrere Änderungsverträge (Bl. 6 bis 9 der Akte). Gemäß § 1 des 2. Änderungsvertrags wurde die Klägerin in die Vergütungsgruppe KR V, Fallgruppe 1 BAT eingruppiert.
Sowohl der Krankenhauszweckverband W1 als auch die Beklagte waren ordentliche Mitglieder des Kommunalen Arbeitgeberverbandes NRW (KAV NW).
Mit Schreiben vom 15.12.2008 (Bl. 22 der Akte) bestätigt der KAV NW der Beklagten den Eingang ihres Schreibens vom 10.12.2008, mit dem sie ihre ordentliche Mitgliedschaft gekündigt hatte, und teilte die Beendigung der ordentlichen Mitgliedschaft mit dem 31.12.2009 mit.
Mit E-Mail vom 06.12.2008 informierte die Beklagte die Gewerkschaft ver.di von der Beendigung ihrer Mitgliedschaft im KAV NW zum 31.12.2009 und wiederholte ihre Aufforderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen.
Verhandlungen über einen Ha...