Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Ausgleichszahlungen an ein Betriebsratsmitglied bei der Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Leitsatz (amtlich)
Ausgleichszahlungen, die das Betriebsratsmitglied gem. § 37 Abs. 3 S.3 BetrVG wegen erforderlicher Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit ohne Möglichkeit des Freizeitausgleichs erhalten hat, sind bei der Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle zu berücksichtigen (Anschluss an BAG, Urteil v. 11.01.1995, 7 AZR 534/94; a.A. LAG Thüringen, Urteil v. 16.12.2010, 5 Sa 143/10).
Normenkette
BGB § 611; BUrlG § 1 Abs. 1, § 11 Abs. 1; EFZG § 3 Abs. 1; BetrVG § 37 Abs. 3 S. 3; EFZG § 4 Abs. 1, 1a
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 26.01.2016; Aktenzeichen 2 Ca 2492/15) |
Nachgehend
Tenor
- Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 26.01.2016 - 2 Ca 2492/15 - abgeändert und die Widerklage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Einbeziehung von Ausgleichszahlungen wegen Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit in die Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle.
Die 1972 geborene Klägerin ist seit dem 27.06.1997 bei der Beklagten als Zeitungszustellerin tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein "Zustellvertrag" vom 23.03.1998 zugrunde, in welchem u.a. unter einer Ziffer 19 eine Ausschlussklausel enthalten ist, die eine Frist zur schriftlichen Geltendmachung von 14 Tagen vorsieht (Bl. 8, 9 d.A.). Sie erbringt ihre Arbeitsleistung in den frühen Morgenstunden; sie hat die von ihr auszutragenden Zeitungen bei den Kunden bis 6.00 Uhr zuzustellen. Die Klägerin ist Mitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates. Insoweit ist zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die Klägerin Betriebsratstätigkeit während der Stunden am frühen Morgen, also während ihrer Arbeitstätigkeit, nicht erbringen kann, sodass sämtliche Betriebsratstätigkeit außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit anfällt.
Die Beklagte beschäftigte ursprünglich ca. 1.200 Mitarbeiter, aktuell deutlich weniger und erbringt Zustelldienste u.a. für die Zeitung X im Ostwestfälischen Raum.
Die Beklagte leistete an die Klägerin wegen der außerhalb der Arbeitszeit anfallenden Betriebsratsarbeit, die nach den Erklärungen beider Parteien im Termin zur Verhandlung vor der Berufungskammer grundsätzlich nicht in Freizeit ausgeglichen werden kann, Ausgleichszahlungen. Die Berechtigung dieser Ausgleichszahlungen sowie deren Höhe und die zugrunde liegenden Zeiträume sowie die einzelnen Zeiten sind zwischen den Parteien nicht im Streit.
In Zeiten des Urlaubs und der Erkrankung der Klägerin von August 2012 bis Juli 2015 bezog die Beklagte bei der Berechnung sowohl des Urlaubsentgeltes wie auch der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle diese Ausgleichszahlungen nicht mit ein.
Die Klägerin errechnete hinsichtlich des Urlaubsentgeltes einen Differenzbetrag für den vorgenannten Zeitraum in Höhe von 2.539,60 € brutto, der sich unter Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen für Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit ergab.
Die Zahlung dieses Betrages hat die Klägerin ursprünglich mit der vorliegenden, am 22.10.2015 beim Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage verfolgt. Während der Rechtshängigkeit stellte die Beklagte eine Berechnung für den vorgenannten Zeitraum an, die nicht nur die Differenz bei der Zahlung des Urlaubsentgelts, sondern auch eine weitere Differenz für Zeiträume der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle beinhaltete. Insoweit errechnete sie einen Betrag in Höhe von 4.246,49 € brutto, den sie am 06.11.2015 an die Klägerin leistete. Diesen Betrag als Summe der Differenzen bei der Berechnung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle stellten die Parteien noch während des ersten Rechtszuges unstreitig (Schriftsatz der Klägerin v. 05.01.2016, S. 5 (Bl. 107 d.A.) und Protokollerklärung im Kammertermin v. 26.01.2016, Bl. 138 d.A.). Keine zwei Wochen später, am 19.11.2015, wandte sich die Beklagte, vertreten durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten, an die die Klägerin vertretende Gewerkschaft ver.di und teilte mit, dass die Beklagte u.a. an die Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von 4.246,49 € geleistet habe, die hinsichtlich der Klägerin zum Gegenstand einer Widerklage, mit der die Rückzahlung der Beträge gefordert werde, gemacht werde. Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 19.11.2015 wird auf Bl. 189, 190 d.A. Bezug genommen. Die angekündigte Widerklage war bereits einen Tag zuvor, am 18.11.2015, vorab per Telefax beim Arbeitsgericht Bielefeld eingegangen und wurde dem Vertreter der Klägerin am 23.11.2015 zugestellt. Zu Protokoll des Kammertermins vor dem Arbeitsgericht Bielefeld vom 26.01.2016 erklärten die Parteien sodann den Rechtsstreit betr. die ursprüngliche Klage...