Verfahrensgang

ArbG Bochum (Urteil vom 28.04.1995; Aktenzeichen 1 Ca 2748/94)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 28. April 1995 – 1 Ca 2748/94 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

2. Die Kosten des Rechtsstreits – einschließlich der Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens – werden dem beklagten Land auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die 1956 geborene Klägerin ist russische Staatsangehörige. Sie hat in Moskau Russisch als Fremdsprache studiert. Sie ist seit 1991 mit ihrem deutschen Ehemann verheiratet und lebt in der Bundesrepublik.

Die Klägerin wurde erstmals mit Arbeitsvertrag vom 18./26. April 1988 als Lektorin für Russisch an der R…..-Universität B… des beklagten Landes eingestellt. Der Vertrag war befristet bis zum 31. März 1990. In seinem § 1 heißt es, „die Befristung … (erfolge) nach § 57 b Abs. 3 des (Hochschulrahmengesetzes) zur Sicherstellung aktueller Bezüge zur sprachlichen Situation des Heimatlandes entsprechend der Üblichkeit an den Wissenschaft-lichen Hochschulen”.

Mit einem „Nachtrag” vom 07. August 1989 haben die Parteien ihren Arbeitsvertrag „über den 31. März 1990 hinaus bis zum 30. September 1990 verlängert”.

Für das Wintersemester 1991/1992, das Sommersemester 1992 und die Wintersemester 1992/1993, 1993/1994 wurden der Klägerin Lehraufträge für Propädeutika Russisch an der Universität B… erteilt.

Am 14. März 1994 schlossen die Parteien erneut einen Arbeitsvertrag. Die Klägerin wurde „für die Zeit vom 05.04.1994 bis 30.09.1994 an der R…..-Universität B… … als Lektorin für Russisch” eingestellt. Die Befristung erfolgte abermals „nach § 57 b Abs. 3 des (Hochschulrahmengesetzes) zur Sicherstellung aktueller Bezüge zur sprachlichen Situation des Heimatlandes”. Gemäß § 2 des Vertrages hat die Klägerin im Rahmen „einer regelmäßigen Arbeitszeit von … 38,5 Wochenstunden” eine Lehrtätigkeit von 16 Wochenstunden zu erbringen. Laut § 3 seiner Regelungen bestimmt sich das Arbeitsverhältnis unter anderem nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und der ihn ergänzenden, abändernden und ersetzenden Tarifwerke. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin beträgt etwa 6.100,– DM.

Mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 16. September 1994 bat die Klägerin das beklagte Land um Bestätigung ihrer Auffassung, daß der Vertrag vom März 1994 aus Rechtsgründen als unbefristet anzusehen sei. Das beklagte Land lehnte dies in einem Schreiben vom 19. September 1994 ab.

Mit ihrer am 25. November 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht die Klägerin weiterhin die Unwirksamkeit der Befristungsabrede vom 14. März 1994 geltend. Sie hat die Auffassung vertreten, die Vielzahl ihrer Arbeitsverträge habe zu einem unzulässigen Kettenarbeitsverhältnis geführt.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Ansicht vertreten, die Dauer beider befristeter Arbeitsverhältnisse überschreite die nach § 57 c Abs. 2 Hochschulrahmengesetz (HRG) zulässige Grenze von fünf Jahren nicht. Die der Klägerin vor Abschluß des zweiten Vertrages erteilten Lehraufträge hätten nicht zur Begründung von Arbeitsverhältnissen geführt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. April 1995 unter Hinweis auf § 57 b Abs. 3 HRG abgewiesen.

Gegen das ihr am 22. Mai 1995 zugestellte Urteil hat die Klägerin frist- und formgerecht Berufung eingelegt. Sie rügt, das Arbeitsgericht habe die Befristungsregelung des § 57 b Abs. 3 HRG trotz der entgegenstehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weiter angewendet. Im übrigen ergebe sich die Unwirksamkeit der Befristungsregelung aus Art. 11 der Verordnung (EWG) 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15. Oktober 1968.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 28. April 1995 abzuändern und nach ihrem Schlußantrag in erster Instanz zu erkennen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es tritt dem angefochtenen Urteil bei. Es vertritt die Ansicht, die Klägerin könne sich als russische Staatsangehörige nicht auf Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag berufen. Im übrigen lägen sachliche Gründe für die Befristung des Arbeitsvertrages vor.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den erörterten Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Mit Beschluß vom 01. März 1996 hat das erkennende Gericht den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung von Fragen ersucht, die sich ihm mit Blick auf Art. 11 der Verordnung (EWG) 1612/68 gestellt haben. Mit Urteil vom 05. Juni 1997 hat der Gerichtshof die Fragen im Ergebnis dahin beantwortet, daß jedenfalls eine Person wie die Klägerin Rechte aus Art. 11 der Verordnung (EWG) 1...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge