Verfahrensgang

ArbG Münster (Urteil vom 23.09.1994; Aktenzeichen 4 Ca 844/94)

 

Tenor

1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 23. September 1994 – 4 Ca 884/94 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Dem beklagten Land zur Last fallen auch die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die 1938 geborene Klägerin ist norwegische Staatsangehörige. Sie ist seit 1961 mit ihrem deutschen Ehemann verheiratet und lebt seitdem in der Bundesrepublik.

Nach Beendigung ihres Studiums im Jahre 1974 war die Klägerin bis 1977 als Lehrbeauftragte für die norwegische Sprache an der Universität B. tätig. Von 1977 bis 1981 war sie Lektorin für Norwegisch an der Universität M. und von 1982 bis 1983 an der Universität H. Anschließend war sie bis 1989 Lehrbeauftragte an den Universitäten B. und G. Nach Unterrichtsaufenthalten und einem zweijährigen Pädagogikstudium in OSLO ist sie seit 1990 erneut als Lektorin für Norwegisch an der Universität M. tätig.

Gemäß § 1 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 24. September 1990 sollte die Klägerin „in dem Zeitraum vom 01.10.1990 bis 30.09.1994 als Lehrkraft für besondere Aufgaben … in der Funktion einer Fremdsprachenlektorin im Bereich des Nordischen Seminars der W. W.-Universität (M.) arbeiten”. Gemäß § 2 des Vertrages sollten für das Arbeitsverhältnis unter anderem im einzelnen aufgezählte Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) und die Nrn. 2 und 7 seiner Sonderregelungen 2 y gelten. In § 4 des Vertrages heißt es, das Arbeitsverhältnis sei

„im Hinblick auf

  • die Vermittlung der Fremdsprache
  • die hierauf bezogenen Dienstleistungen bei wissenschaftlichen Vorhaben
  • den laufenden kulturellen und wissenschaftlichen Austausch, den die Beschäftigung von Lektoren bewirken sollen
  • die mit der Beschäftigung bezweckte allgemeine Weiter- und Fortbildung des ausländischen wissenschaftlichen Nachwuchses sowie
  • die Notwendigkeit, eine Entfremdung eines ausländischen Lektors von seinem Herkunftsland zu vermeiden,

    … bis zum 30.09.1994 befristet”.

Die Vertragsdauer ergebe sich daraus, „daß diese Zwecke nach aller bisherigen Erfahrung im Bereich der norwegischen Sprache am besten innerhalb eines Zeitraums von 4 Jahren erreicht werden”. Ferner heißt es, „der sachliche Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses (ergebe) sich auch daraus, daß die Beschäftigung überwiegend für die Ausbildung in Fremdsprachen erfolgt (§ 57 b Abs. 3 des Hochschulrahmengesetzes…)”.

Die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin betrug ursprünglich 38,5 Stunden wöchentlich. Innerhalb derer hatte sie „eine Lehrverpflichtung von 16 mit dem Faktor 1 gewichteten Deputatsstunden” zu übernehmen. Zuletzt war die Klägerin mit einem Lehrdeputat von zwölf Wochenstunden teilzeitbeschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt beträgt etwa 5.000,– DM.

Mit ihrer am 20. April 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristungsabrede vom 24. September 1990 geltend. Mit Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Oktober 1993 (– Rs. C. 292/92 – (S.)) hat sie die Auffassung vertreten, § 57 b Abs. 3 des deutschen Hochschulrahmengesetzes (HRG) verstoße gegen Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag. Dies habe Auswirkungen auch für ihr Arbeitsverhältnis. Zwar sei Norwegen nicht Mitgliedstaat der EG, doch sei es Unterzeichner des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vom 02. Mai 1992, welches am 01. Januar 1994 für die Bundesrepublik in Kraft getreten sei. Gemäß dem mit Art. 48 EG-Vertrag nahezu wortgleichen Art. 28 des Abkommens in Verbindung mit Art. 4, 6 des Abkommens gälten für die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines der Unterzeichnerstaaten seien, die gleichen Freizügigkeitsgebote und Diskriminierungsverbote wie für Staatsangehörige eines EG-Mitgliedstaates, beides zugleich im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dem Umstand, daß ihr Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des Abkommens geschlossen worden sei, komme wegen der Verpflichtung zu einer mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs übereinstimmenden Auslegung des Abkommens keine Bedeutung zu.

Die Klägerin hat beantragt

  1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 24.09.1990 mit der Vergütungsgruppe II a BAT über den 30.09.1994 hinaus unbefristet fortbesteht;
  2. das beklagte Land zu verurteilen, sie zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 24.09.1990 in der Vergütungsgruppen a BAT über den 30.09.1994 hinaus weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Ansicht vertreten, das EWR-Abkommen sei kein in der Bundesrepublik unmittelbar geltendes Recht. Das am 27. April 1993 vom Bundestag beschlossene Transformationsgesetz wiederum habe § 57 b Abs. 3 HRG nicht geändert und angepaßt. Dies gegebenenfalls nachzuho...

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