Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugangserfordernis der Lohnabrechnung. Elektronische Übermittlung der Lohnabrechnung per Abruf ohne Arbeitnehmer-Zustimmung keine ausreichende Erteilung. Bereitstellung einer Lohnabrechnung keine Erteilung nach § 362 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Unter Erteilen einer Lohnabrechnung in Textform im Sinne des § 108 GewO ist nicht bereits die bloße Bereitstellung in ein elektronisches Postfach zum Abruf durch ein aktives Tun des Arbeitnehmers, sondern auch deren Zugang bei Arbeitnehmer zu verstehen. Der Arbeitgeber muss daher die Lohnabrechnung so auf den Weg zum Arbeitnehmer bringen, dass sie so in seinen Machtbereich gelangt, dass er unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen konnte.
2. Die in elektronischer Form übermittelte Erklärung geht dem Empfänger nur dann zu, wenn er zuvor ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er mit der elektronischen Übermittlung der Lohnabrechnung einverstanden ist.
3. Die bloße Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung in elektronischer Form zum Abruf durch den Arbeitnehmer ist keine Erfüllung der Pflicht zur Erteilung einer Lohnabrechnung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB.
Normenkette
GewO § 108; BGB §§ 130, 362, 126b; ArbGG § 46 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 04.12.2020; Aktenzeichen - 3 Ca 1606/20) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.12.2020 - 3 Ca 1606/20 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Abrechnungen für erfolgte Lohnzahlungen zu erteilen.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.12.2000, zuletzt als Mitarbeiter im Fuhrpark, zu einem Bruttogehalt von durchschnittlich etwa 2.900,00 EUR beschäftigt.
Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 08.03.2019 darüber, dass die Verdienstabrechnungen künftig verschlüsselt in dem neuen Online-Portal "A" bereit gestellt, und nicht wie bis dahin in ausgedruckter Form zur Verfügung gestellt werden würden. Um diese Umstellung zu gewährleisten, war eine erstmalige Anmeldung im Online-Portal durch die Mitarbeiter innerhalb von drei Monaten erforderlich, um ein eigenes, personalisiertes Passwort zu setzen. Anschließend war der Abruf, der Ausdruck und das Abspeichern von Lohnabrechnungen von zu Hause aus oder an eigens auf dem Betriebsgelände bereitgestellten Terminals möglich. Der von der Beklagten eingeführten Form der Ausstellung der Lohnabrechnungen widersprach der Kläger jedenfalls ausdrücklich durch Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 28.10.2019.
In der Folge wurden dem Kläger seit September 2019 die seinem Lohn entsprechenden Abrechnungen nicht mehr ausgedruckt zur Verfügung, sondern - wie angekündigt - in digitaler, elektronischer Form im Online-Portal der Beklagten bereit gestellt.
Der Kläger druckte sich seine Lohnabrechnungen nicht selbst aus.
Der Kläger hat die Meinung vertreten, dass ein Bereitstellen der Lohnabrechnung in elektronischer Form seiner Zustimmung bedürfe und es nicht ausreichend sei, die Lohnabrechnungen in digitaler bzw. elektronischer Form in einem Online-Portal hochzuladen. Vielmehr müsse eine Abrechnung in Textform erteilt werden. Der Textform genüge das Bereitstellen in einem Online-Portal gerade nicht. Die Möglichkeit des Abrufs der Lohnabrechnungen durch ihn selbst werde diesem Erfordernis nicht gerecht und erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen.
Nach Klagerücknahme hat der Kläger zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 26.09.2019 erbrachte Zahlung in Höhe von 1.908,95 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 28.10.2019 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.063,04 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 27.11.2019 erbrachte Zahlung in Höhe von 3.509,80 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 23.12.2019 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.098,00 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 29.01.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.068,45 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 26.02.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.086,77 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 30.03.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 1.971,44 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 29.04.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.106,18 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 28.05.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.019,97 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 26.06.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.007,92 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
- die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 29.07....