Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Belehrungspflicht des Arbeitgebers zum Urlaubsverfall gegenüber länger erkranktem Arbeitnehmer. Unterschiedliche Belehrungspflichten über Verfall von Urlaub bei gesunden und kranken Arbeitnehmern kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz. Belehrungspflicht des Arbeitgebers über Verfall von Urlaub ab Wiedergenesung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Belehrungspflicht des Arbeitgebers dahingehend, dass Urlaubsansprüche bei Nichtinanspruchnahme bis zum 31.12. des Kalenderjahres oder bis zum 31.03. des Folgejahres im Fall der Übertragung erlöschen, besteht bei einer langfristig erkrankten Arbeitnehmerin nicht; diese Pflicht besteht erst wieder nach Wiedergenesung bezogen auf die konkreten Ansprüche der Arbeitnehmerin.

 

Normenkette

BUrlG §§ 3, 7 Abs. 3; ZPO § 97

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 04.04.2019; Aktenzeichen 2 Ca 1602/18)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 04.04.2019 - 2 Ca 1602/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Urlaubsanspruchs der Klägerin aus dem Jahr 2017.

Die Klägerin ist gemäß den Regelungen des Dienstvertrags vom 09.07.2010 bei der Beklagten im K Hospital in T beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt beträgt aktuell 1.647,00 €. Im Jahr 2017 erkrankte die Klägerin und konnte von dem ihr zustehenden Urlaubsanspruch im Jahr 2017 14 Tage nicht nehmen. Die Klägerin ist seit dem Jahr 2017 durchgehend erkrankt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.11.2018 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgeltung des Urlaubs für das Jahr 2017 auf (Bl. 3 d. A.). Mit Schreiben vom 12.11.2018 (Bl. 4 d. A.) wies die Beklagte den Anspruch zurück.

Mit einer am 19.12.2018 bei dem Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen Klageschrift hat die Klägerin zunächst die Abgeltung von 14 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 beansprucht. Mit Schriftsatz vom 07.03.2019 hat die Klägerin hilfsweise zum Zahlungsantrag einen Feststellungsantrag geltend gemacht. Im Kammertermin vom 04.04.2019 hat die Klägerin nur noch den Feststellungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der restliche Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 sei nicht verfallen. Sie verweist auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019 (Az: 9 AZR 541/15 ). Ihr restlicher Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 sei schon deshalb nicht verfallen, da die Beklagte es unterlassen habe, die Klägerin rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

festzustellen, dass der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2017 noch ein Urlaubsanspruch in Höhe von 14 Urlaubstagen zusteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der streitgegenständliche Anspruch bestehe nicht. Sie weist darauf hin, dass die Bestimmungen der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, der Urlaubsanspruch der Klägerin sei aufgrund der weiterhin fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH am 31.03.2019 erloschen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in dem Vorabentscheidungsverfahren vom 06.11.2018 (Az: C-684/16 ) wonach der Arbeitgeber gehalten ist, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies zu tun. Der Arbeitgeber habe hierzu klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt. Nach der Entscheidung des BAG könne der Verfall von Urlaub daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert habe, den Urlaub zu nehmen und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraumes erlischt.

Diese Grundsätze gölten jedoch nicht im Falle einer langzeiterkrankten Arbeitnehmerin wie der Klägerin, da es dem Arbeitgeber wegen der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht möglich sei, dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer könne auch bei einer förmlichen Aufforderung, den Jahresurlaub zu nehmen, diesen wegen seiner Arbeitsunfähigkeit nicht antreten. Eine Belehrung als Obliegenheit des Arbeitgebers ergebe somit nur dann Sinn, wenn der Arbeitnehmer in der Lage sei, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Dies sei im Falle einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit nicht der Fall.

Sei die Arbeitnehmerin langanhaltend erkrankt, bestehe eine Obliegenheit des Arbeitgebers zur Belehrung der Arbeitnehmerin über den...

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