Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung zur Gehaltssenkung, ausgesprochen von der griechischen Republik gegenüber angestellten Lehrern an einer nach nordrhein-westälischem Schulrecht anerkannten griechischen Ergänzungsschule. Abweisung der Kündigungsschutzklage als unzulässig wegen Verneinung der deutschen Gerichtsbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich nach § 20 Abs. 2 GVG nicht auf Personen, die gemäß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht, bei dem es sich nach Artikel 25 GG um bindendes Bundesrecht handelt, sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit (acta iure imperii) von einem Rechtsstreit betroffen ist (par in parem nun habet imperium). Dagegen besteht keine Regel des Völkerrechts, nach der die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen in Bezug auf ihre nicht hoheitliche Tätigkeit (acta iure gestionis) ausgeschlossen wäre.
2. Mangels einschlägiger völkerrechtlicher Regelungen ist die Einordnung der Tätigkeit als hoheitlich oder nicht hoheitlich nach deutschem Recht zu beurteilen.
3. Lehrer an einer nach nordrhein-westälischem Schulrecht anerkannten griechischen Ergänzungsschule nehmen hoheitliche Aufgaben wahr.
Normenkette
GVG § 20 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 08.03.2011; Aktenzeichen 5 Ca 2910/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der beklagten Republik wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.03.2011 – 5 Ca 2910/10 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigung.
Die am 17.08.1954 geborene Klägerin ist seit dem 13.12.1982 an dem griechischen Lyzeum in B1 als Lehrerin mit einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.061,85 EUR teilzeitbeschäftigt. Zum Zeitpunkt ihrer Einstellung war sie griechische Staatsbürgerin.
Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 03.11.1992 (Bl. 3 bis 5 d.A.) zugrunde.
Wegen der Regelungen in Nr. 1, 3, 6 des Arbeitsvertrages wird auf die von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Arbeitsvertrages sowie auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Nach Nr. 16 des Arbeitsvertrages sind die für jede angefallene Sache zuständigen gerichtlichen Behörden die der Stadt B1.
Die Beklagte betreibt in B1 neben dem Lyzeum noch eine Grundschule. Insgesamt beschäftigt sie an diesem Standort drei Lehrer und Lehrerinnen im Angestelltenverhältnis und mehr als zwölf Beamte.
In Deutschland bestehen weitere griechische Schulen.
In Griechenland existiert nach der griechischen Verfassung ein öffentliches Schulwesen, das neun Pflichtschuljahre umfasst. Die ersten sechs Pflichtschuljahre werden in einer Primarschule, die weiteren drei Pflichtjahre an einem Gymnasium abgeleistet. Danach besteht aufbauend die Möglichkeit, ein Lyzeum zu besuchen, dessen Abschluss nach griechischem Schulrecht dazu berechtigt, an einem Hochschulzugangsverfahren teilzunehmen.
Griechische Schüler haben am Lyzeum drei Fremdsprachen zu wählen. Als eine Fremdsprache wird auch Deutsch unterrichtet.
Beide griechischen Schulen in B1 sind staatlich anerkannte Ergänzungsschulen. Mit ihrem Besuch erfüllen die Schüler ihre nach deutschem Recht bestehende Schulpflicht. Der Schulbesuch ist unentgeltlich.
Mit undatiertem Schreiben (Bl.6 d.A.), der Klägerin am 10.11.2010 zugegangen, kündigte die Beklagte, vertreten durch den griechischen Generalkonsul in H2, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund ohne Wahrung der Kündigungsfrist und bot ihr den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit folgenden Bedingungen an:
- Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 257,60 EUR monatlich.
- Einstellung der Jahressonderzahlung.
Weiter teilte sie der Klägerin ergänzend mit, dass zukünftig die Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet würden, sondern nach Beschluss des Arbeitgebers, d.h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.
Mit Schreiben vom 16.11.2010 (Bl. 7 d.A.) nahm die Klägerin die Kündigung unter dem Vorbehalt an, dass die ihr zugemutete Änderung der Arbeitsplatzbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist.
Mit ihrer am 26.11.2010 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage wendet sie sich gegen die Wirksamkeit der Änderungskündigung.
Sie hat ausgeführt:
Auf das Arbeitsverhältnis finde deutsches Arbeitsrecht Anwendung.
Sie bestreite, dass allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Beklagten das Gehalt gekürzt worden sei. Ihr seien Arbeitskollegen und -kolleginnen in anderen Städten bekannt, die noch keine Änderungskündigung erhalten hätten.
Die Kündigung sei inhaltlich unklar, unschlüs...