Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichstellungsabrede. Vertrauensschutz Tariflohnerhöhung. Altersgrenze. 65. Lebensjahr. Wirksamkeit. Einzelhandel
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Wirksamkeit der vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs ist nach dem bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags geltenden Recht zu beurteilen. Spätere Entwicklungen bleiben unberücksichtigt.
2. Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16.10.2007 (Rs C-411/05 - Palacios) sind mit der erforderlichen Eindeutigkeit die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Prüfung der Rechtfertigung einer auf dem Merkmal des Alters beruhenden Ungleichbehandlung herausgestellt - nämlich die legitimen Ziele des nationalen Gesetzgebers und der Maßstab für die Prüfung der Angemessenheit und Erforderlichkeit.
Normenkette
MTV Einzelhandel NRW § 11 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Urteil vom 19.11.2008; Aktenzeichen 5 Ca 1770/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 19.11.2008 – 5 Ca 1770/08 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über tarifliche Entgelterhöhungsansprüche sowie um die Wirksamkeit einer tarifvertraglichen Altersgrenze.
Der am 14.06.1944 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 07.05.1990 als Hausschreiner zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.288,00 EUR beschäftigt.
In § 1 Nr. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages heißt es unter anderem:
„Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages.”
Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird Bezug genommen auf die mit Klageschriftsatz vom 23.07.2008 eingereichte Kopie (Bl. 7 ff. der Akten).
Zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses waren beide Parteien tarifgebunden. Mit Wirkung ab 01.09.2005 wandelte die Beklagte ihre Mitgliedschaft im zuständigen Einzelhandelsverband von einer solchen mit in eine ohne Tarifbindung um.
Unter Hinweis auf die Änderung des Status im Arbeitgeberverband lehnte die Beklagte die folgende Tariflohnerhöhung mit Wirkung ab 01.09.2006 ab.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass auch die nach dem 31.08.2005 erfolgten Tarifentgelterhöhungen an ihn weiterzugeben seien. Dies ergebe sich schon aus § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages, weil dieser keine bloße deklaratorische Gleichstellungsabrede beinhalte. Vielmehr solle danach die jeweilige tarifliche Regelung zur Anwendung kommen. Für eine Gleichstellungsabrede habe wegen der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge bei Arbeitsvertragsschluss für die Parteien auch keine Veranlassung bestanden. Ein früheres Bestandsschutzverfahren im Jahre 2005 habe letztlich mit einer Kündigungsrücknahme durch die Beklagte geendet, ohne dass es zu einer naheliegenden Änderung des Arbeitsvertrages gekommen sei.
Auch sei im Arbeitsvertrag das altersbedingte Ende des Arbeitsverhältnisses nicht wirksam vereinbart worden. Die Regelung in § 11 Abs. 5 MTV Einzelhandel NRW führe zu keinem anderen Ergebnis; so habe sich die Regelaltersgrenze für den Bezug ungekürzter Altersrente nach Abschluss des Tarifvertrages geändert.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.412,00 EUR brutto nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus monatlich 23,00 EUR brutto für die Monate September 2006 bis April 2008 und aus jeweils monatlich 92,00 EUR brutto für die Monate Mai 2008 bis Oktober 2008 zu zahlen,
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm für die Zeit ab dem 01.11.2008 eine monatliche Vergütung nach der Lohngruppe III Staffel c) in der Fassung des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel NRW vom 25.07.2008 zu zahlen und etwaige monatliche Bruttonachzahlungsbeträge beginnend mit dem 01.11.2008 jeweils ab dem Ersten des Folgemonats mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszins jährlich zu verzinsen,
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Vollendung seines 65. Lebensjahres sein Ende finden wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Meinung vertreten, dass ein Anspruch auf Zahlung der nach dem 31.08.2005 eingetretenen Tarifentgelterhöhungen nicht bestehe. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahmeklausel sei lediglich als Gleichstellungsabrede auszulegen.
Auch ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollende, weil die einschlägige Tarifnorm unverändert auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.11.2008 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger Tarifentgelterhöhungen nach dem 31.08.2005 nicht mehr beanspruchen könne. Die in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages vereinbarte sog. Gleichstellungsabrede habe sicherstellen ...