Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 TzBfG. gedankliche Zuordnung des Arbeitsbereichs des befristet Beschäftigten zu der Tätigkeit der zu vertretenden Stammkraft. fachliche Austauschbarkeit gegeben, wenn vor Zuweisung des Aufgabenkreises des befristet Beschäftigten Weiterbildungsmaäßnahmen der vertretenen Stammkraft erforderlich sind

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die vorübergehende Abwesenheit des Stammmitarbeiters kann der Arbeitgeber zum Anlass nehmen, dessen Aufgaben dem befristet Beschäftigten unmittelbar zuzuweisen oder die Aufgaben neu zu verteilen, ihn im Rahmen einer Vertretungskette einzusetzen (mittelbare Vertretung). Er kann aber aufgrund seines Organisationsrechts auch von der Neuverteilung der Aufgaben absehen und dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Tätigkeiten übertragen, die die vorübergehend abwesende Stammkraft nie ausgeübt hat, denn die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt das Versetzungs- und Umsetzungsrecht des Arbeitgebers unberührt.

2. Trifft der Arbeitgeber aufgrund seines Organisationsrechts die Entscheidung, dem befristet Beschäftigten Tätigkeiten zu übertragen, die die zu vertretende Stammkraft nie ausgeübt hat, muss er zur Darlegung des erforderlichen Kausalzusammenhangs vortragen, dass er bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten gedanklich zugeordnet hat. Nur dann beruht die Einstellung auf der Abwesenheit des vertretenen Arbeitnehmers.

3. Die gedankliche Zuordnung muss erkennbar sein. Die Verdeutlichung der Überlegungen des Arbeitgebers kann z.B. durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag oder im Rahmen der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung bei der Einstellung erfolgen. Diese Feststellung bildet die Grundlage für die gerichtliche Befristungskontrolle.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, § 17 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Urteil vom 12.06.2008; Aktenzeichen 2 Ca 87/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.04.2010; Aktenzeichen 7 AZR 121/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 12.06.2008 – 2 Ca 87/08 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Befristung ihres Arbeitsvertrages.

Die am 02.04.1962 geborene, verheiratete, gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Klägerin ist seit dem 19.01.2000 als Angestellte bei der Beklagten tätig. Die Parteien schlossen mehrere befristete Arbeitsverträge (Bl. 11 bis 18 d.A.).

Der zuletzt geschlossene Arbeitsvertrag vom 25.07.2007 (Bl. 19 d.A.) war gem. § 1 befristet vom 05.09.2007 bis zum 31.12.2007. Gem. § 2 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach der durchgeschriebenen Fassung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) für den Bereich Verwaltung (TVöD-V) in der jeweils geltenden Fassung und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigen der Kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA). Zur Begründung der Befristung ist in § 1 ausgeführt:

Die befristete Beschäftigung ist als zahlenmäßiger Ersatz für die Dauer der Beurlaubung von Frau C1 W7, längstens bis zum 31.12.2007 erforderlich.

Die Klägerin verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung zur Industriekauffrau und war im Amt für Gebäudemanagement, Abteilung Betriebswirtschaft, beschäftigt. Nach dem Zeugnis vom 02.01.2008 (Bl. 136 d.A.) umfasste ihr Aufgabengebiet die Angebotsnachrechnung und nach landesweiter Umstellung von der kameralen zur doppischen Haushaltsführung zum 01.01.2006 die vollständige Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung. Sie erzielte ein Bruttomonatsgehalt von 2293,21 EUR.

Die Beschäftigte C1 W7, geborene W8, wurde von der Beklagten aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 22.01.1992/06.02.1992 als vollbeschäftigte Stadtangestellte seit dem 01.04.1992 beschäftigt. Wegen der Einzelheiten ihres Arbeitsvertrages wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 10.11.2008 vorgelegte Kopie (Bl. 157 d.A.) Bezug genommen.

Mit Wirkung zum 01.10.1992 wurde die Angestellte W7 aufgrund einer Änderungsvereinbarung vom 08.09.1992/21.9.1992 (Bl. 158 d.A.) in die Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1 a der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert. Mit Schreiben vom 25.11.2006 (Bl. 159 d.A.) teilte die Beklagte ihr mit, sie werde zum 30.09.2005 in die Entgeltgruppe 6 des TVöD-VKA übergeleitet. Frau W7 hat am 11.08.1989 die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Verwaltungsfachangestellter/Verwaltungsfachangestellte abgelegt. Wegen des Prüfungszeugnisses wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 10.11.2008 vorgelegte Kopie (Bl. 160 d.A.) verwiesen.

Ihrer Ausbildung lag die Verordnung über die Berufsausbildung zum Verwaltungsfachangeste...

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