Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbesserungsvorschlag. Prämierung. Leistungsbestimmungsrecht. Betriebsvereinbarung. Ablösung. intertemporales Recht. Verjährung. Verwirkung. Prämierung eines Verbesserungsvorschlages. keine Verjährung des Anspruchs auf Leistungsbestimmung. Änderung der Prämierungsvoraussetzungen zwischen Einreichung und Realisierung des Verbesserungsvorschlages

 

Leitsatz (amtlich)

Prämierung eines Verbesserungsvorschlages - keine Verjährung des Anspruchs auf Leistungsbestimmung - Änderung der Prämierungsvoraussetzungen zwischen Einreichung und Realisierung des Verbesserungsvorschlages

1. Streiten die Parteien um die Prämierung eines Verbesserungsvorschlages nach den Regeln einer Betriebsvereinbarung und entspricht die vom zuständigen Bewertungsausschuss getroffene Entscheidung nicht den Anforderungen an ein verbindliches Schiedsgutachten, so erfolgt die Entscheidung über die Prämierung durch gerichtliche Leistungsbestimmung gem. § 317 BGB. Da bis zur gerichtlichen Entscheidung allein ein klagbares Recht auf Leistungsbestimmung, nicht hingegen ein Anspruch auf Prämienzahlung besteht, scheidet die Anwendung von Verjährungsvorschriften aus (BGHZ 97, 212; BAGE 18, 54) aus. Eine Parallele zur Verjährung des Anspruchs auf Vergütung nach § 12 ArbnErfG kommt wegen der unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltung der Normen nicht in Betracht.

2. Haben sich die rechtlichen Grundlagen der Prämierung eines Verbesserungsvorschlags im Zeitraum zwischen Einreichung (1989), Entscheidung über die Nicht-Annahme unter dem Vorbehalt der Einbeziehung in laufende Untersuchungen (2000), erfolgreicher Entwicklung einer Versuchsanlage (2002 bis 2005) und nachfolgender Realisierung des Vorschlages (2006) mehrfach geändert, so sind für die gerichtliche Leistungsbestimmung die aktuell geltenden Regeln maßgeblich. Wegen des Ablöseprinzips sind die vormals geltenden Rechtsregeln außer Kraft. Enthält die Neuregelung eine Verschlechterung gegenüber der abzulösenden Vorgängerregelung - hier: Beschränkung der vormals unbeschränkten Prämie (Prämienforderung 1,9 Mio. €) auf einen Höchstbetrag von 150.000 € -, so ist die ablösende Wirkung der Neuregelung durch die Grundsätze des Vertrauensschutzes beschränkt. Eine rechtlich anerkannte und vor nachträglichen Änderungen der Prämierungsgrundsätze geschützte Rechtsposition liegt jedoch weder ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Verbesserungsvorschlages oder während der Dauer der Erprobung vor, ein "Anwartschaftsrecht" auf Prämierung entsteht vielmehr erst mit der Entscheidung über die Annahme des Verbesserungsvorschlages, da der Arbeitgeber in der Entscheidung über die Annahme nicht gebunden ist. Danach ist die zum Realisierungszeitpunkt geltende Prämienbeschränkung anzuwenden.

 

Normenkette

BetrVG § 77; BGB §§ 317, 319

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 10.07.2012; Aktenzeichen 7 Ca 3327/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.12.2014; Aktenzeichen 9 AZR 431/13)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 10.07.2012 - 7 Ca 3327/11 - teilweise abgeändert.

  • 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 47.954,83 € zu gleichen Teilen zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 15.02.2012.

  • 2.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  • 3.

    Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 2,6 %, die Kläger tragen als Gesamtschuldner 97,4 %.

  • 4.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Prämierung eines Verbesserungsvorschlages.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Energieversorgung und betreibt u. a. das Kraftwerk G in W, in welchem die beiden Kläger als Diplom-Ingenieure im Anlagenerhalt tätig sind bzw. waren. Nach Fusion von der Energieversorgungsunternehmen V und R wird das vormals von der V betriebene Kraftwerk von der beklagten Gesellschaft betrieben.

Unter dem 10.08.1998 reichten Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gemeinsam einen Verbesserungsvorschlag mit der Bezeichnung "Substituierung von Kohle durch einen Ersatzbrennstoff" (Bl. 13 ff. d. A.) ein. Nach dem Standpunkt der Kläger geht die nachfolgend entwickelte und im Jahre 2006 in Betrieb genommene Anlage zur Verwertung von Ersatzbrennstoffen auf den damaligen Verbesserungsvorschlag zurück. Auf der Grundlage der bei Einreichung des Vorschlages im Unternehmen der V geltenden "Betriebsvereinbarung über das Betriebliche Verbesserungswesen" vom 15.08.1989 (im Folgenden BV 1989) errechnen die Kläger einen Prämienanspruch in Höhe von 1.937.000,00 Euro und machen unter Berücksichtigung einer im Jahre 2000 erhaltenen "Anerkennungsprämie" von 4000 DM (entspr. 2045,17 €) sowie der im Jahre 2011 bewilligten "Prämie als Sonderleistung" in Höhe von 100.000 € einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren, ihnen zu gleichen Teilen zustehenden Prämie in Höhe von 1.834.954,80 € geltend.

Gegenstand des Verbesserungsvorschlages der Kläger war die Ersetzung eines Teils der als Brennstoff eingesetzten Stei...

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