Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen Beleidigung von Vorgesetzten

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Vorwurf durch einen Arbeitnehmer, der Arbeitgeber sei an „kriminellen Machenschaften”, an „Betrug” und „Urkundenfälschung” beteiligt, rechtfertigt nicht eine außerordentliche Kündigung, wenn der Vorwurf zur Verteidigung eigener Positionen im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens erfolgte und durchaus eine sachliche Berechtigung enthielt.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 22.12.2005; Aktenzeichen 3 Ca 2438/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.12.2005 – 3 Ca 2438/05 – wird als unzulässig verworfen.

Die Berufung der Beklagten zu 3. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.12.2005 – 3 Ca 2438/05 – wird zurückgewiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.12.2005 – 3 Ca 2438/05 – wird aus Gründen der Klarstellung wie folgt gefasst:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3. durch die Kündigung der Beklagten zu 3. vom 18.07.2005 nicht beendet wurde.
  2. Die Beklagte zu 3. wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 21.05.2004 als Organisationsleiter zuständig für das Gebiet II der Filialdirektion B3xxxxxxx weiterzubeschäftigen.
  3. Der Auflösungsantrag der Beklagten zu 3. wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges zu einem Gesamtstreitwert von 45.000,00 EUR tragen der Kläger 6/10 und die Beklagte zu 3. 4/10.

Von den Kosten des zweiten Rechtszuges zu einem Gesamtstreitwert von 45.000,00 EUR tragen die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner 5/10, der Kläger 1/10 und die Beklagte zu 3. 4/10.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3. (Parteibezeichnung 1. Instanz: Beklagte zu 2.) sowie darüber, ob die Beklagte zu 3. zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet ist.

Der am 04.08.1951 geborene Kläger, der verheiratet und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit dem 01.04.1994 bei den Beklagten zu 1. und 2. (Parteibezeichnung 1. Instanz: Beklagte zu 1.) als Organisationsleiter tätig. Aufgrund Arbeitsvertrages vom 02.03.1994, wegen des genauen Inhalts auf Bl. 260 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, war er zunächst der Bezirksdirektion M2xxxxx zugeordnet. Bis zum Jahre 1997 betreute er dabei das Gebiet Westfalen. Im Jahre 1997 wurde die Bezirksdirektion M2xxxxx aufgelöst; das Gebiet Westfalen wurde der Bezirksdirektion B3xxxxxxx zugeordnet.

Zu Beginn des Jahres 2004 fand eine weitere Umstrukturierungsmaßnahme bei den Beklagten zu 1. und 2. statt. Die Bezirksdirektionen in B3xxxxxxx und K3xxxx wurden im Zuge dieser Maßnahme in B3xxxxxxx zusammengefasst, wobei bei der Bezirksdirektion B3xxxxxxx drei Organisationsbereiche gebildet wurden. Ab dem 01.02.2004 übernahm der Kläger den Bereich II, der Nordhessen und Teile von Ostwestfalen umfasst. In seiner Tätigkeit als Organisationsleiter war er der Bezirksdirektion B3xxxxxxx direkt unterstellt. Sein direkter Vorgesetzter war der Leiter der Bezirksdirektion B3xxxxxxx, Herr A3xxxxxxx jun. Als Organisationsleiter hatte der Kläger die auf Bl. 12 der Gerichtsakte in dem Verfahren LAG Hamm – 12 Sa 1841/05 – aufgeführten Geschäftsstellen und Agenturen zu betreuen. Auch die Geschäftsstelle S8xxxxxxx, die in der zuvor erwähnten Übersicht nicht aufgeführt ist, gehörte zum Zuständigkeitsbereich des Klägers. Das Gebiet II der Filialdirektion B3xxxxxxx war bis zur o. g. Neuorganisation vom Leiter der Filialdirektion B3xxxxxxx, Herrn A3xxxxxxx jun. betreut worden.

Bereits im März 2004, nämlich mit Schreiben vom 27.03.2004, wegen dessen genauen Inhalts auf Bl. 36 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, wandte sich der Kläger an seinen Vorgesetzten, Herrn A3xxxxxxx jun. und sprach aus seiner Sicht klärungsbedürftige Sachverhalte in seinem neuen Organisationsgebiet an. Hierzu gehörten u.a. zu hohe Vertriebsziele im Vergleich zu anderen Organisationsgebieten, Clusterung der Vermittler, Orga-Zugehörigkeiten verschiedener Agenturen bzw. Geschäftsstellen. Explizit wurde auch die Situation in der Geschäftsstelle S8xxxxxxx angesprochen. Hier heißt es wörtlich:

„Völlig unübersichtlich ist die Situation in der Geschäftsstelle S8xxxxxxx. Agenturistin mit Bestand ist die 79-jährige Frau S8xxxxxxx, deren Sohn als Geschäftsführer auftritt, keinen Vertrag mit Ax-Dx hat, sich als Makler geriert (Fxxxx) und versucht, MA der AO-DH abzuwerben. Ein weiterer MA (Exxx) firmiert ebenfalls als Makler.”

Der Inhalt dieses Schreibens wurde zwischen dem Kläger und Herrn A3xxxxxxx am 29.03.2004 persönlich erörtert. Das Ergebnis dieses Gesprächs ist auf dem Schreiben in Form eines Protokolls festgehalten.

Unter dem 21.05.2004 schlossen die Beklagten zu 1. und 2. und der Kläger...

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