Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung auf Geltendmachung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs nach fristloser Kündigung aufgrund pflichtwidriger Abrechnung von Reisetagen
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf Zugang zu einem öffentlichen Amt hat eine freie Stelle zur Voraussetzung. Aufgrund des Gebots des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG ist für die Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs ggf. eine Sicherung durch eine einstweilige Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO gegen eine anderweitige Stellenbesetzung erforderlich. Diesem genügt es, wenn dem abgelehnten Bewerber die Möglichkeit gewährt wird, vorläufigen Rechtsschutz vor der Besetzung des Amtes zu erhalten. Soweit sich die durch Art. 33 Abs. 2 GG vorgeschriebene Bestenauswahl unter den Bewerbern als rechtlich fehlerhaft erweist, so kann der abgelehnte Bewerber einen Anspruch auf eine erneut durchzuführende Auswahlentscheidung geltend machen.
Normenkette
BGB § 626; GG Art. 33 Abs. 2; TV-L § 3
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 10.02.2022; Aktenzeichen 3 Ga 3/22) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 10.02.2022 - 3 Ga 3/22 - wird auf Kosten der Verfügungsklägerin zurückgewiesen.
Die Revision ist nicht zulässig.
Tatbestand
Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung macht die Verfügungsklägerin ihren Bewerbungsverfahrensanspruch bezogen auf ihre Bewerbung vom 25.10.2021 auf die Stelle "Gestütsleiterin/Gestütsleiter (w/m/d) beim Nordrhein-Westfälischen B" in A geltend.
Die 1965 geborene Verfügungsklägerin war vom 01.06.1996 bis zum 03.03.2017 Leiterin des Nordrhein-Westfälischen B in A. Das Arbeitsverhältnis endete am 03.03.2017 mit Zugang einer von dem verfügungsbeklagten Land ausgesprochenen fristlosen Kündigung. Das verfügungsbeklagte Land stützte die Kündigung auf den Vorwurf, die Klägerin habe durch verschiedene Verhaltensweisen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten wiederholt gravierend verletzt, vorzuwerfen seien insbesondere eine pflichtwidrige Abrechnung von Reisetagen zu eigenem Vorteil, eine pflichtwidrige Vorteilsnahme, Verstoß gegen eine Nebentätigkeitsuntersagung und mehrfaches Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Pferden. Die von der Verfügungsklägerin gegen die fristlose Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage ist erfolglos geblieben. Das Arbeitsgericht Münster hat die Kündigungsschutzklage durch Urteil vom 12.04.2018 abgewiesen (2 Ca 492/17/Kopie Bl. 111 - 190 GA). Das LAG Hamm hat die von der Verfügungsklägerin dagegen eingelegte Berufung durch Urteil vom 14.03.2019 zurückgewiesen (11 Sa 980/18/Kopie Bl. 191 - 283 GA). Die von der Verfügungsklägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 27.09.2019 zurückgewiesen (2 AZN 769/19 7 Kopie Bl. 284 - 286 GA).
Anschließend war eine Nachfolgerin als Gestütsleiterin beschäftigt. Nachdem deren Tätigkeit beendet worden war, schrieb das verfügungsbeklagte Land die Stelle "Gestütsleiterin/Gestütsleiter (w/m/d) beim Nordrhein-Westfälischen B" unter dem 21.10.2021 aus. Die Kopie des Ausschreibungstextes findet sich auf Bl. 79 - 81. GA, darauf wird Bezug genommen. In der Ausschreibung heißt es zum persönlichen Kompetenzprofil:
- hohe Führungs- und Sozialkompetenz
- Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft und Flexibilität
- ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten, Verhandlungsgeschick
- hohes Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungsfähigkeit und Kreativität
Unter dem 25.10.2021 bewarb sich die Klägerin auf die Stelle. Auf die Kopie des Bewerbungsschreibens nebst Anlagen wird Bezug genommen (Bl. 82 ff GA).
Das verfügungsbeklagte Land fertigte unter dem 22.11.2021 einen Vermerk über den Vorauswahltermin vom 22.11.2021. Darauf wird Bezug genommen (Bl. 108 ff GA). Unter der Überschrift "1. Aktenvermerk zur Prüfung der Bewerbung von Frau C." heißt es dort auszugsweisen:
...
Das Vertrauen des Landes NRW als Arbeitgeber in die Person der Bewerberin wurde durch die seinerzeitigen Vorkommnisse, die zu der wirksam ausgesprochenen Kündigung geführt haben, berechtigterweise nachhaltig und unwiderruflich erschüttert und zerstört, so dass eine weitere Zusammenarbeit nicht zuzumuten war.
Die Umstände, die seinerzeit zu der Kündigung geführt haben, waren völlig unabhängig von der späteren strafrechtlichen Bewertung für das Arbeitsverhältnis so gravierend, dass die Begründung eines erneuten Beschäftigungsverhältnisses in der angestrebten Funktion auch weiterhin nicht zumutbar ist.
Folglich erfüllt die Bewerberin zwar das fachliche Anforderungsprofil, die ebenfalls für eine Einstellung in den Landesdienst erforderliche persönliche Eignung ist aber infolge der - gerichtlich bestätigten - nachhaltigen Erschütterungen und Zerstörung des Vertrauens dauerhaft nicht gegeben.
Das seinerzeitige Strafverfahren, das in der Berufungsinstanz nach langer Verfahrensdauer eingestellt worden ist, steht dem nicht entgegen, da die seinerzeit gewonnenen Erkenntnisse jedenfalls weiterhin...