Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Verfassungskonforme Auslegung des Tarifvertrags
Leitsatz (redaktionell)
§ 8 Abs. 3 Rahmentarifvertrag für die Arbeitnehmer der Industrie der Steine und Erden im Lande Hessen vom 27. April 2005 ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass mit Erhebung einer Bestandsschutzklage die davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs im Sinne der tariflichen Ausschlussfrist gerichtlich geltend gemacht sind.
Normenkette
BGB § 310 Abs. 4, § 615; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; RTV Steine und Erden-Industrie (Hessen/Thüringen) § 8 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 08.03.2011; Aktenzeichen 1 Ca 2809/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 08.03.2011 - 1 Ca 2809/08 - teilweise abgeändert:
Der Tenor wird wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.651,47 € brutto abzüglich 1.069,84 € netto erhaltenen Krankengeldes nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.536,63 € ab 04.02.2010, aus weiteren 2.723,24 € ab 27.04.2010, aus weiteren 919,89 € ab 01.06.2010, aus weiteren 1.492,72 € ab 15.07.2010 und aus weiteren 405,45 € ab 27.09.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 7,13 %, die Beklagte 92,87 %, die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 10,24 %, die Beklagte zu 89,76 %.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Dauer eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses.
Der Kläger ist seit dem 26.10.1992 als Produktionsmitarbeiter/Maschinenführer bei der Beklagten beschäftigt.
Ob auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge der Steine und Erden-Industrie Hessen und Thüringen e. V. zur Anwendung kommen, ist unter den Parteien strittig.
Unwidersprochen erhielt der Kläger das jeweilige tarifliche Entgelt. Die Beklagte gewährte Urlaub im tariflichen Umfang, zahlte das zusätzliche tarifliche Urlaubsgelt ebenso wie die Jahressondervergütung und den Arbeitgeberzuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen. Darüber hinaus gewährte die Beklagte Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Mehrarbeitszuschläge im tariflichen Umfang. Auch die regelmäßige Arbeitszeit richtete sich nach den tariflichen Bestimmungen. Schließlich gab die Beklagte, gleichfalls unwidersprochen, Tariferhöhungen jeweils an den Kläger weiter, soweit keine Anrechnung auf übertariflichen Zulagen erfolgte.
Die Beklagte ist Mitglied des tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverbandes und hat mit der IGBCE einen Anerkennungstarifvertrag dahingehend abgeschlossen, dass die genannten Tarifverträge zur Anwendung kommen.
Der Kläger seinerseits ist nicht tarifgebunden.
Unter dem 27.11.2003 legte die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsvertrag vor, der die Bestimmungen des Haustarifvertrages zur Anwendung bringen sollte. Der Kläger lehnte eine solche Unterzeichnung jedoch ab. Letztmalig lehnte der Kläger die Unterzeichnung eines solchen Arbeitsvertrages mit der Einbeziehung der Geltung des Tarifvertrages am 19.04.2004 ab.
Mit Schreiben vom 08.06.2006 teilte die Beklagte dem Kläger hinsichtlich des Abschlusses von Tarifverhandlungen am 15.05.2006 mit, ab Juni 2006 betrage sein Tarifmonatsentgelt statt bisher 1.894,00 € brutto nunmehr 1.956,00 € brutto.
Mit Schreiben vom 03.12.2008, das dem Kläger unter dem 12.12.2008 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten zum 30.06.2008.
Gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung wendete sich der Kläger mit Klage vom 22.02.2008, die der Beklagten unter dem 06.01.2009 zugestellt wurde.
Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 17.08.2010 hat das Arbeitsgericht Hagen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 03.12.2008 nicht aufgelöst ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Ab dem 01.07.2009 beschäftigte die Beklagte den Kläger im Rahmen eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses.
Für die Dauer des Prozessbeschäftigungsverhältnisses bis einschließlich des Monats September 2010 vergütete die Beklagte dem Kläger lediglich die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit einem Stundenentgelt in Höhe von 13,99 € brutto. Zuschläge für Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und ähnliches wurden nicht gewährt. Gleichfalls vergütete die Beklagte keine Arbeitsunfähigkeitszeiten; Urlaub wurde dem Kläger gewährt, ein Entgelt aber nicht geleistet. Ebenso wenig gewährte die Beklagte für diesen Zeitraum ein tarifliches Urlaubsgeld, eine Verdienstsicherung, eine Erfolgsbeteiligung und einen Arbeitgeberzuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen.
Krankengeld von der Krankenkasse b...