Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Unmöglichkeit der Rückgabe von Vorgriffsstunden bei Arbeitsunfähigkeit/. Gleichbehandlungsgrundsatz. Finanzieller Ausgleich von sog. Vorgriffsstunden. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz (Lehrer)
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeitsunfähigkeit im Ausgleichszeitraum steht eine Rückgabe von "Vorgriffsstunden" nicht entgegen.
2. Bei dauernder Arbeitsunfähigkeit im Ausgleichszeitraum besteht kein Abgeltungsanspruch von Vorgriffsstunden.
3. Die Freistellungsphase im "Sabbatjahr" ist im Rahmen des allg. Gleichbehandlungsgrundsatzes mit längerfristiger Arbeitsunfähigkeit nicht vergleichbar.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 11.08.2011; Aktenzeichen 4 Ca 304/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.08.2011 - 4 Ca 304/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um finanziellen Ausgleich von sog. Vorgriffsstunden, die von der Klägerin im Schuljahr 1998/1999 geleistet wurden.
Die am 01.05.1955 geborene Klägerin ist seit dem 18.08.1997 als angestellte Lehrerin bei dem beklagten Land beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich entsprechend dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 26.08.1997 nach dem Bundesangestelltentarifvertrag mit den Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 21 BAT) in der jeweils geltenden Fassung.
Das beklagte Land hat mit der Verordnung zur Ausführung von § 5 Schulfinanzgesetz (SchFG) in der Bekanntmachung vom 22.05.1997 die Vorgriffsstunden zum Schuljahr 1997/1998 eingeführt. Diese Verordnung lautet auszugsweise wie folgt:
"Zusätzliche wöchentliche Pflichtstunden (Vorgriffsstunden)"
Die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden nach § 3 erhöht sich für Lehrerinnen und Lehrer, die vor Beginn des jeweiligen Schuljahres das 30. Lebensjahr vollendet, aber das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, vorübergehend für einen Zeitraum von bis zu sechs Schuljahren um eine Stunde [...]
Für Lehrerinnen und Lehrer, die auf der Grundlage des Satzes 1 zur Leistung zusätzlichen Pflichtstunden verpflichtet waren, ermäßigt sich die Pflichtstundenzahl nach § 3 ab dem Schuljahr 2008/2009 jeweils für einen entsprechenden Zeitraum um eine Stunde [...]"
Die Klägerin leistete in den Schuljahren 1998/1999 bis 2003/2004 wöchentlich jeweils eine Vorgriffsstunde. Demnach hat die Klägerin im Kalenderjahr 1998/1999 52 Vorgriffsstunden geleistet. Nach der vorgenannten Verordnung sollte die Rückgabe der Vorgriffsstunden ab dem Schuljahr 2008/2009 dadurch erfolgen, dass sich die individuelle Pflichtstundenzahl um eine Pflichtstunde ermäßigt.
Die Klägerin war in der Zeit vom 26.01.2009 bis zum 21.06.2010 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 01.02.2010 fand aufgrund ärztlicher Verordnung vom 13.01.2010 eine Maßnahme zur stundenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben statt. Ab dem 21.06.2010, dem Zeitpunkt der Arbeitsfähigkeit, wurde die Pflichtstundenzahl der Klägerin um eine Stunde ermäßigt. Bedingt durch die Arbeitsunfähigkeit im Schuljahr 2009/2010 leistete die Klägerin lediglich während eines Zeitraums von vier Wochen eine geminderte Pflichtstundenzahl.
Vor diesem Hintergrund fragte die Klägerin bei dem beklagten Land u.a. nach, ob sie einen finanziellen Ausgleich für die nicht rückgewährten Vorgriffsstunden erhalte.
Die Verordnung über den finanziellen Ausgleich von Vorgriffsstunden nach der Verordnung zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetz (Ausgleichszahlungsverordnung Vorgriffsstunde) vom 08.06.2004 bestimmt hierzu unter § 2, dass Ausgleichszahlungen erfolgen:
"[...]
1. bei Beendigung des Beamtenverhältnisses,
2. beim Wechsel des Dienstherrn,
3. bei sonstiger Beendigung der ungleichmäßigen Verteilung der zusätzlichen Pflichtstunden, wenn darauf die Unmöglichkeit des Pflichtstundenausgleichs beruht [...]"
Mit Runderlass "Rückgabe der Vorgriffsstunden und finanzieller Ausgleich von Vorgriffsstunden nach der Ausgleichszahlungsverordnung Vorgriffsstunde" vom 11.10.2007 hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung bezugnehmend auf die vorstehende Regelung folgende Klarstellung getroffen:
"[...] Die Unmöglichkeit des Pflichtstundenausgleichs nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Ausgleichszahlungsverordnung Vorgriffsstunde besteht nicht nur dann, wenn die Lehrkraft endgültig aus dem aktiven Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen ausgeschieden ist, sondern auch, wenn sie sich mit Rechtsgrund für einen vorübergehenden Zeitraum nicht im aktiven Schuldienst befindet und von der Möglichkeit der Flexibilisierung keinen Gebrauch gemacht hat.
Lehrkräften, die sich zum vorgesehenen Zeitraum der Rückgabe der Vorgriffsstunden nicht im aktiven Schuldienst befinden (z.B. Beendigung des Beamtenverhältnisses oder der Tarifbeschäftigung, Wechsel des Dienstherrn, vorzeitiger Ruhestand oder Verrentung, Abordnung oder Versetzung in die Schulaufsicht, Freistellungsphase in der Altersteilzeit oder beim Sabbatjahr (jetzt: Jah...