Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Kündigung einer Betriebsvereinbarung durch den Erwerber eines Betriebes
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Betriebsvereinbarung im Zuge eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zum - individualrechtlichen - Inhalt des Arbeitsverhältnisses, kann sie gleichwohl durch den Erwerber gegenüber einem im neuen Betrieb gegründeten Betriebsrat nach kollektivrechtlichen Regelungen gekündigt werden. Eine Änderungskündigung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern ist nicht erforderlich.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 29.11.2016; Aktenzeichen 5 Ca 2517/16) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.11.2016 - 5 Ca 2517/16 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Kleindarlehens und die Geltung einer Betriebsvereinbarung.
Der 1966 geborene Kläger war zunächst seit dem 01.01.1992 bei der S F AG, dort in der Abteilung "Absatzportfolio-Management", beschäftigt.
Am 26.06.2007 schlossen die S F AG und der bei ihr gebildete Betriebsrat, dessen Vorsitzender der Kläger war, eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Kleindarlehen (im Folgenden: BV Kleindarlehen) (Bl. 47 ff. d.A.). Diese hat ua. folgenden Wortlaut:
"[...] § 2 Bedingungen für die Darlehensgewährung
1. Ein Kleindarlehen gemäß dieser Betriebsvereinbarung kann bei der Personalbetreuung beantragt und begründet werden. Es ist nicht an einen spezifischen Zweck gebunden und zinslos.
Die S F AG behält sich die Prüfung vor.
Die Darlehensgewährung erfolgt nicht während der Probezeit, bei einer vorliegenden Pfändung sowie für geringfügig Beschäftigte. Weiterhin erfolgt keine Neugewährung von Kleindarlehen an Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen, für diese Mitarbeiter eventuell bestehende Kleindarlehen können fortgeführt werden.
2. Gewährt wird eine Darlehenssumme in Höhe von 1000 bis 2450 Euro. [...]
3. Die Rückzahlung des Kleindarlehens erfolgt in monatlichen Raten von jeweils 100 Euro ggf. mit einer Schlussrate in Höhe von 50 Euro. Die Rückzahlung beginnt ab dem Monat nach Auszahlung des Kleindarlehens. Nach vollständiger Tilgung des Darlehens ist eine erneute Beantragung eines Darlehens möglich. Die Gewährung eines Darlehns gemäß dieser Betriebsvereinbarung erfolgt jedoch erst, wenn der Mitarbeiter etwaige noch laufende Kleindarlehn vollständig ordnungsgemäß zurückgezahlt hat. [...]
§ 3 Vertrag/Abtretungserklärung
Basis für die Auszahlung des Darlehns ist der Abschluss eines Darlehensvertrages, der eine Abtretungserklärung enthält. [...]
§ 4 Geltungsdauer
Diese Betriebsvereinbarung tritt am 15. August 2007 in Kraft. Sie kann mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf eines Kalenderjahres frühestens zum Ablauf des 31.12.2012 gekündigt werden. Nach ihrem Ablauf gelten ihre Regelungen nicht weiter. [...]"
Die Betriebsorganisation der S F AG wurde im Jahr 2009 im Zuge des Projektes "Neue S" aufgelöst. Im Zuge dessen schloss die S F AG mit dem Betriebsrat am 18.06.2009 einen Interessenausgleich. Bezüglich des Inhalts des Interessenausgleichs wird auf Bl. 51 ff. d.A. Bezug genommen. Die Abteilung "Absatzportfolio-Management" wurde, ebenso wie weitere Abteilungen anderer Konzernunternehmen, auf die S W AG abgespalten. Das Absatzportfoliomanagement ist gebündelt in der S W AG fortgeführt worden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde ab dem 01.09.2009 mit der S W AG, einem neu gegründeten Betrieb, fortgeführt. In dem neuen Betrieb wurden mehrere Betriebsteile unterschiedlicher Unternehmen (S F AG, S S1AG, S X AG) zusammengeführt. Die Mitarbeiter der verschiedenen Betriebsteile arbeiteten in der Folge in einer Abteilung. Der Kläger erhielt ein Informationsschreiben vom 29.07.2009 zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB (Bl. 59 ff. d.A.). Die S W AG und der bei ihr neu gebildete, für das Arbeitsverhältnis des Klägers zuständige Betriebsrat Mitte der S W AG vereinbarten, dass für neu eingestellte Arbeitnehmer die kollektivrechtlichen Regelungen, die vormals bei der S S1 AG galten, Anwendung finden sollten.
Die S W AG gewährte dem Kläger unter dem 17.02.2012 (Bl. 67 f. d.A.) sowie unter dem 15.01.2014 (Bl. 65 f. d.A.) jeweils auf Grundlage des bestehenden Arbeitsverhältnisses und der BV Kleindarlehen Darlehen in Höhe von je 2.450,00 €. Das Darlehen vom 15.01.2014 zahlte der Kläger mit der letzten Rate im Mai 2016 vollständig zurück.
Mit Schreiben jeweils vom 12.05.2015 kündigte die S W AG sowohl gegenüber dem Gesamtbetriebsrat als auch gegenüber dem Betriebsrat Mitte die BV Kleindarlehen zum 31.12.2015 (Bl. 111 d.A.). Der Gesamtbetriebsrat veröffentlichte hierzu am 28.05.2015 ein Informationsschreiben (Bl. 69 d.A.), wovon der Kläger Kenntnis erlangte.
Am 07.03.2016 beantragte der Kläger per E-Mail die Gewährung eines Kleindarlehens in Höhe von 2.450...