Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifgebundenheit. OT-Mitgliedschaft. Satzungsänderung. Vereinsregistereintragung. konstitutive Wirkung. keine Rückwirkung
Leitsatz (amtlich)
Kein rückwirkender Statuswechsel zur „OT-Mitgliedschaft” vor Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister.
Beschließt der Arbeitgeberverband die Zulassung einer OT-Mitgliedschaft, so werden von einem Tarifvertrag, welcher zeitlich nach der Satzungsänderung, jedoch vor deren Eintragung in das Vereinsregister abgeschlossen wird, auch diejenigen Verbandsmitglieder erfasst, mit welchen der Verband bereits einen Statuswechsel zur OT-Mitgliedschaft vereinbart hatte.
Normenkette
TVG § 3; BGB § 71
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen 3 Ca 323/06) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 28.09.2006 – 3 Ca 323/06 – abgeändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 297,40 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.03.2006.
- Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Lohnabkommen Groß- und Außenhandel NRW vom 21.07.2005 Anwendung findet und die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den sich aus der Lohntabelle zu § 2 des Lohnabkommens ergebenden Monatslohn zu zahlen.
- Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den arbeitsvertraglich vereinbarten Fahrtzuschuss mit der Tariflohnerhöhung zu verrechnen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die vormals beiderseits tarifgebundenen Parteien streiten im Zusammenhang mit einem Wechsel des Arbeitgebers von der Vollmitgliedschaft zur „OT-Mitgliedschaft” in erster Linie um die Anwendung des einschlägigen Lohntarifvertrages, welchen die Tarifparteien zu einem Zeitpunkt abgeschlossen haben, nachdem der Arbeitgeberverband die Zulassung von OT-Mitgliedschaften satzungsgemäß beschlossen hat, die Satzungsänderung jedoch noch nicht in das Vereinsregister eingetragen war. Hilfsweise vertritt die Beklagte den Standpunkt, auch für den Fall der Tarifgeltung habe der Kläger keine Erhöhung seiner Arbeitsvergütung zu beanspruchen, da er unter Einbeziehung zusätzlicher Vergütungsbestandteile nicht weniger als den Tariflohn erhalte.
Der Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19.02.1977 (Bl. 7 f d.A.) seit dem Jahre 1997 im Großhandelsunternehmen der Beklagten als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. In der Vergangenheit war die Beklagte reguläres Mitglied im Unternehmens- und Arbeitgeberverband Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen Westfalen-Münsterland e.V. In der Mitgliederversammlung vom 23.11.2004 beschloss der Arbeitgeberverband die Zulässigkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung. Der Beschluss über die Satzungsänderung wurde sodann am 26.07.2005 notariell beurkundet, die Eintragung in das Vereinsregister erfolgte am 22.08.2005. Bereits zuvor, nämlich mit Schreiben vom 24.01.2005 (Bl. 38 d.A.) hatte die Beklagte beim Verband ihre Aufnahme als sog. OT-Mitglied rückwirkend zum 01.01.2005 beantragt, worauf der Verband mit Schreiben vom 17.02.2005 (Bl. 39 d.A.) wunschgemäß den Beginn der OT-Mitgliedschaft zum genannten Termin bestätigte.
Zwischenzeitlich – noch vor Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister – hatten Arbeitgeberverband und Gewerkschaft am 21.07.2005 neue Vergütungstarifverträge, nämlich das Lohnabkommen vom 21.07.2005 sowie das Gehaltsabkommen vom selben Tage vereinbart, welche unter § 1 Ziffer 3 d zum persönlichen Geltungsbereich die Formulierung enthalten: „Die Mitglieder der tarifschließenden Parteien sind tarifgebunden”.
Der Kläger vertritt den Standpunkt, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde das Lohnabkommen vom 21.07.2005 Anwendung. Da die Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister konstitutive Wirkung besitze und aus rechtlichen Gründen eine Rückwirkung der Eintragung auf den Zeitpunkt des satzungsändernden Beschlusses oder seiner notariellen Beurkundung ausscheide, beanspruche der am 21.07.2005 abgeschlossene Tarifvertrag auch für das Unternehmen der Beklagten Geltung. Der erst nachträglich wirksam gewordene Wechsel der Beklagten zur OT-Mitgliedschaft vermöge an der Geltung dieses Tarifvertrages nichts zu ändern. Da die Beklagte ihre Bindung an den Tarifvertrag leugne, könne das Interesse des Klägers, im Wege des Feststellungsantrages die Geltung des Lohnabkommens klären zu lassen, nicht zweifelhaft sein.
Auf der Grundlage des einschlägigen Lohnabkommens verlangt der Kläger des Weiteren die Zahlung des in § 4 des Tarifvertrages vorgesehenen Einmalbetrages. Danach erhalten die Arbeitnehmer für die Monate September 2005 bis April 2006 einen Festbetrag in Höhe von je 32,50 EUR, insgesamt 260,– EUR, fällig mit dem Monatsentgelt August 2005. Diesen Betrag sowie den Unterschiedsbetrag zwischen dem aktuellen Tariflohn der ...