Entscheidungsstichwort (Thema)
Europarechtskonformität der Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Inanspruchnahme von Elternzeit
Leitsatz (amtlich)
Die gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG bestehende Möglichkeit für den Arbeitgeber, den Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat der Inanspruchnahme von Elternzeit zu kürzen, verstößt nicht gegen europarechtliche Vorgaben.
Normenkette
BEEG § 17 Abs. 1 S. 1; Richtlinie 2010/18/EU § 5 Abs. 2; EGRL 88/2003 (Arbeitszeitrichtlinie) Art. 7 Abs. 1; EGRL 98/23 § 4 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Entscheidung vom 09.03.2017; Aktenzeichen 1 Ca 359/16) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Detmold vom 09.03.2017 - 1 Ca 359/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Urlaubsentgelt sowie Urlaubsabgeltung vor dem Hintergrund der Zulässigkeit der Kürzung von Urlaubsansprüchen während der Elternzeit.
Die 1978 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin, stand im Zeitraum 01.06.2001 bis zum 30.06.2016 als Assistentin der Geschäftsleitung in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten mit einem monatlichen Bruttogehalt von 4.100,00 Euro. Der Urlaubsanspruch betrug 30 Arbeitstage im Jahr.
Am 16.04.2010 wurde das erste Kind der Klägerin geboren. Sie war vom 16.04.2010 bis 14.11.2011 in Elternzeit. Vom 15.11.2011 bis 21.02.2012 begann die Mutterschutzfrist wegen des zweiten Kindes. Für dieses nahm die Klägerin vom 16.12.2011 bis 15.12.2013 Elternzeit. Vom 16.12.2013 bis 15.12.2014 wurde erneut Elternzeit für das erste Kind in Anspruch genommen. Vom 16.12.2014 bis zum 15.12.2015 wurde erneut Elternzeit für das zweite Kind in Anspruch genommen.
Die Klägerin hatte ab dem 16.12.2015 eine Teilzeittätigkeit bei der Beklagten beantragt. Diesem Antrag hat die Beklagte nicht entsprochen. Die Klägerin akzeptierte diese Entscheidung. Im Zeitraum vom 16.12.2015 bis einschließlich 26.01.2016 war sie arbeitsunfähig krank. Vom 27.01.2016 bis 15.02.2016 gewährte die Beklagte der Klägerin Urlaub. Vom 16.02.2016 bis 28.03.2016 war sie aufgrund einer Operation arbeitsunfähig erkrankt.
Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten mit Kündigung vom 23.03.2016 zum 30.06.2016 mit der Bitte, in dieser Zeit Resturlaub nehmen zu können. Die Beklagte akzeptierte die Kündigung auch zum von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungszeitpunkt. In einem Schreiben vom 04.04.2016 heißt es darüber hinaus:
"Frau N verfügt unter Berücksichtigung der Mutterschutzfristen über einen Resturlaubsanspruch von 21 Werktagen (Stand 04.04.2016). Der Urlaub wird in der Zeit vom 04.04.2016 bis zum 02.05.2016 gewährt und weiterhin in Anspruch genommen. Dementsprechend endet der bezahlte Urlaub am 02.05.2016, so dass wir davon ausgehen, dass Frau N ihren Dienst am 03.05.2016 wieder antritt. Alternativ können Sie sich zum gegebenen Zeitpunkt mit uns in Verbindung setzen, um ggf. eine unbezahlte Freistellung bis zum Austrittszeitpunkt in Erwägung zu ziehen."
Die Klägerin strengte ein einstweiliges Verfügungsverfahren mit dem Aktenzeichen 2 Ga 6/16 vor dem Arbeitsgericht Detmold zur Urlaubsgewährung an. Dieses endete mit dem Vergleich, dass die Klägerin vom 03.05. bis 30.06.2016 von der Arbeit fernbleiben darf.
Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass im Juni 2010 noch 19,5 Urlaubstage vorhanden waren und dass 2016 grundsätzlich ein Urlaubsanspruch von 15 Arbeitstagen erworben worden ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte sämtlichen Urlaub gewährt hat, soweit dieser gemäß § 17 BEEG gekürzt werden durfte. Im Streit stehen nunmehr noch über die Urlaubsabgeltung beziehungsweise das Urlaubsentgelt für darüber hinausgehenden Urlaub.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass von 124,5 Urlaubstagen nur 35 Tage verbraucht worden seien, weshalb noch 89,5 Tage zu bezahlen seien. Davon seien 40 Urlaubstage bis zum 30.06.2016 von der Klägerin verbraucht worden, so dass noch 49,5 Tage abzugelten seien und 40 Urlaubstage zu bezahlen. Eine Kürzung des Urlaubs sei nicht möglich. § 17 Abs. 1 BEEG verstoße gegen europarechtliche Vorgaben. Artikel 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG gewähre jedem Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Dieser Anspruch dürfe danach nicht davon abhängig gemacht werden, dass Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hätten. Artikel 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG sehe keine Einschränkung, also Kürzungsmöglichkeit vor, die ohnehin den Mitgliedsstaaten nur ermögliche, die Modalitäten der Urlaubsdurchführung zu regeln. Eine Verringerung des Urlaubsanspruchs sei aber keine Modalität, die geregelt werden könne. Der Urlaubsanspruch sei darüber hinaus jedes Jahr vollständig erworben worden.
Zu den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gehöre auch die Kürzungsbestimmung in § 17 Abs. 1 BEEG. Dies sei aber bisher noch nicht durch eine Entscheidung des EuGH geklärt. Auch der Zweck der Richtlinie 2003/88/EG spreche nicht für die Auffassung ...