Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Erschütterung des Beweiswertes einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Folgen der Nichtentbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber kann den Beweiswert von vom Arbeitnehmer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dadurch erschüttern, dass er im Rechtsstreit Umstände darlegt und gegebenenfalls beweist, die zu ernsthaften Zweifeln einer behaupteten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben. Ein derartiger Umstand kann die eigene Angabe des Klägers in einem Mitarbeitergespräch im Betrieb des Arbeitgebers während der Zeit der attestierten Arbeitsunfähigkeit sein, er sei arbeitsfähig.

 

Normenkette

EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 1, § 383 Abs. 1 Nr. 6, § 385 Abs. 2, §§ 427, 444

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 01.12.2005; Aktenzeichen 3 Ca 592/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.12.2005 – 3 Ca 592/05 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 28.09.2004 bis 17.10.2004.

Der am 03.08.1969 geborene Kläger ist seit dem 23.08.1999 als Produktionshelfer im Betrieb der Beklagten tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind die Arbeitsverträge vom 18.08.1999 und vom 04.08.2000 (Bl. 6 bis 9 d.A.).

Die Beklagte betreibt ein metallverarbeitendes Unternehmen. Kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit finden die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie NRW Anwendung.

Der Kläger leidet seit mehr als vier Jahren unter einer chronischen psychischen/psychosomatischen Krankheit, die unter Therapie keine Arbeitsunfähigkeit hervorruft. Er war wegen dieser Krankheit (zumindest) in den letzten sechs Monaten vor dem hier streitigen Zeitraum nicht arbeitsunfähig krank.

Am 28.09.2004 sollte der Kläger zur Behandlung seiner Krankheit eine Kurmaßnahme in der psychosomatischen Fachklinik Bad Pyrmont antreten. Der Kläger begab sich dorthin, wurde jedoch nach einem Eingangsgespräch mit dem dort zuständigen Arzt als nicht therapiefähig bzw. nicht kurfähig abgewiesen. Er wurde an seinen behandelnden Arzt verwiesen, wo er weiter behandelt wurde.

Der Kläger begab sich am 29.09.2004 zu seinem behandelnden Arzt Dr. G2xxx, einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, der das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit ab 28.09.2004 bis zum 13.10.2004 in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 29.09.2004 attestierte.

Am 07.10.2004 fand im Betrieb der Beklagten ein Mitarbeitergespräch mit dem Kläger statt. In diesem Gespräch erklärte der Kläger ausdrücklich, er sei arbeitsfähig.

Durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11.10.2004 wurde die Arbeitsunfähigkeit verlängert bis zum 17.10.2004.

Am 18.10.2004, dem ersten Arbeitstag, fand eine Untersuchung des Klägers durch den Betriebsarzt Dr. M3xxxx statt.

Der Kläger bezog für die Zeit vom 30.09.2004 bis 17.10.2004 Krankengeld von seiner Krankenkasse in einer Gesamthöhe von 916,02 EUR netto.

Die vorliegende Klage hat der Kläger am 08.03.2005 erhoben. Wegen der Berechnung der Klageforderung wird auf den Schriftsatz vom 30.05.2005 (Bl. 32 f d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen der Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 28.09.2004 bis 17.10.2004 gegen die Beklagte zu. Das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit habe er durch die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 29.09.2004 und vom 11.10.2004 bewiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.862,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit abzüglich am 19.01.2005 gezahlten Krankengeldes in Höhe von 916,02 EUR netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger sei in der Zeit vom 28.09.2004 bis 17.10.2004 tatsächlich arbeitsfähig gewesen. Der Beweiswert der vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert.

Die Erschütterung des Beweiswertes ergebe sich schon daraus, dass der Kläger vor und nach dem angeblichen Arbeitsunfähigkeitszeitraum aufgrund der angewandten Therapiemaßnahmen nicht wegen seiner psychosomatischen Krankheit arbeitsunfähig krank gewesen sei. In dem streitigen Zeitraum habe ein objektiver Anhaltspunkt für eine Veränderung des Krankheitsbildes nicht vorgelegen. Der Kläger sei von der Kurklinik auch nicht arbeitsunfähig krank geschrieben worden. Der Kläger habe in dem Mitarbeitergespräch am 07.10.2004 gesagt, er arbeitsfähig gewesen sei.

Im Übrigen hat die Beklagte behauptet, der Betriebsarzt Dr. M3xxxx sei am 18.10.2004 zu der fachlichen Einschätzung gelangt, der Kläger sei in den vorhergehenden drei Wochen arbeitsfähig gewesen, da er – wie schon im vorausgegangenen Halbjahr – die angeor...

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