Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten der Berufung (Rücknahme)
Leitsatz (amtlich)
1 Geht die Anwaltsbestellung des Berufungsgegners mit einem Antrag auf Zurückweisung der Berufung erst nach der Zurücknahme einer ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegten Berufung bei Gericht ein, können die dem Berufungsgegner entstandenen Kosten schon aus diesem Grunde nicht als notwendig erachtet werden.
2 In diesem Falle fällt auch eine evtl. Gebühr von 13/10 aus dem Kostenstreitwert für das Verfahren nach § 515 Abs. 3 ZPO nicht mehr an (§ 37 Nr. 7 BRAGO juris: BRAGebO)
3 Ein Beschluß des Berufungsgerichts über die Kostenfolge der Berufungsrücknahme (§ 515 Abs. 3 Satz 2 ZPO) bindet nur in der Frage der Kostenverteilung unter den Prozeßbeteiligten, nicht aber in der Frage, ob überhaupt Kosten entstanden sind.
Normenkette
ZPO § 91; BRAGO § 31
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Beschluss vom 05.09.1994; Aktenzeichen 1 Ca 977/93) |
Tenor
Auf die als Erinnerung eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin und Berufungsklägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Siegburg vom 05.09.1994 – 1 Ca 977/93 – aufgehoben und der Antrag des Prozeßbevollmächtigten der Berufungsbeklagten vom 03.06.1994 zurückgewiesen.
Dieser Beschluß ist nicht anfechtbar.
Gründe
Die wegen der Vorlage an das Landesarbeitsgericht als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung ist zulässig und begründet.
Die beantragte Kostenfestsetzung war abzulehnen.
Die geltend gemachten und mit dem angefochtenen Beschluß berücksichtigten Anwaltskosten, insbesondere die nach dem Verfahrensstreitwert bemessene volle Prozeßgebühr von 13/10 gem. §§ 11, 31 BRAGO gehören nicht zu den notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung (§ 91 ZPO), weil das Bestellungsschreiben der Rechtsanwälte des Beklagten, welches u.a. den Antrag auf Zurückweisung der Berufung enthält, erst am 29.04.1994 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, als die Berufung der Klägerin mit Telefax vom 21.04.1994 bereits zurückgenommen war (§ 515 Abs. 2 ZPO). Die Tatsache, daß die Berufungsklägerin das Rechtsmittel lediglich zur Fristwahrung eingelegt und nach verlängerter Begründungsfrist noch nicht schriftsätzlich begründet hatte, ist unter diesen Umständen ohne Bedeutung. Die umstrittene Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein Rechtsmittelgegner unter diesen Umständen die Kostenerstattung für die Anwaltsbestellung und für den Rechtsmittelantrag verlangen könnte, muß hier dahinstehen (vgl. dazu LAG Nürnberg v. 15.10.1993 = LAGE § 91 ZPO Nr. 23; LAG Köln v. 13.09.1985 LAGE a.a.O. Nr. 8; LAG Düsseldorf v. 20.01.1986 = LAGE a.a.O. Nr. 9; LAG Düsseldorf v. 17.08.1987 und v. 01.04.1993 = LAGE § 31 BRAGO Nr. 13 und Nr. 18). Dahinstehen muß insbesondere die Frage, ob dem OLG Köln gefolgt werden kann, wenn es im Gegensatz zu dem angefochtenen Beschluß des Arbeitsgerichts feststellt, die Verlängerung der Begründungsfrist begründe noch keinen Zweifel, ob der Entscheidungsprozeß über die Durchführung des Rechtsmittels nicht bereits abgeschlossen sei, und die Anwaltsbestellung des Rechtsmittelbeklagten sei erst dann notwendig, wenn die Unklarheit über den Stand des Entscheidungsprozesses des Berufungsklägers vom Berufungsbeklagten ausgeräumt worden sei (OLG Köln, Beschl. v. 13.07.1992 = MDR 1992, 1087).
Auch eine gemäß einem Teil der Rechtsprechung in Betracht zu ziehende Gebühr von 13/10 aus dem Kostenstreitwert für das Verfahren nach § 515 Abs. 3 S. 2 ZPO konnte im vorliegenden Fall nicht festgesetzt werden (vgl. LAG Nürnberg, a.a.O.; gegenteilig OLG Köln a.a.O.). Diese Gebühr ist nicht angefallen. Spätestens nach der Rücknahme der Berufung gehörte der Antrag auf einen Kostenbeschluß gem. § 515 Abs. 3 S. 2 ZPO zur Anwaltstätigkeit für den vorherigen Rechtszug (§ 37 Nr. 7 BRAGO). Unerheblich ist schließlich auch der Umstand, daß das Berufungsgericht den auf § 515 Abs. 3 ZPO gestützten Antrag entsprochen hat. Die Kostenentscheidung gem. § 515 Abs. 3 ZPO setzt eine Prüfung, ob dem Berufungsgegner erstattungsfähige Aufwendungen erwachsen sind, nicht voraus, und sie bindet für das Kostenfestsetzungsverfahren nur in der Frage der Kostenverteilung unter den Verfahrensbeteiligten, nicht aber in der Frage der Entstehung festzusetzender Kosten (insoweit zutreffend OLG Köln a.a.O.).
Demgemäß konnte der angefochtene Beschluß keinen Bestand haben.
Unterschriften
Dr. Esser
Fundstellen