Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstellenspruch. Wirksamkeit. Arbeitszeiterfassung. ÜT-Mitarbeiter
Leitsatz (amtlich)
1. Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zur Arbeitszeiterfassung für ÜT-Mitarbeiter.
2. Eine Betriebsvereinbarung sperrt solange sie ungekündigt fortbesteht aufgrund ihrer schuldrechtlich wirkenden Bindung der Betriebsparteien die durch sie geregelte Materie mit der Folge, dass eine Einigungsstelle für Neuregelung derselben Materie unzuständig ist (im Anschluss etwa an LAG Hamm 21.5.2005 – 10 TaBV 173/05; Niedersachsen 29.7.2008 – 1 TaBV 47/08 jeweils m.w.N.; anders 9. Kammer des LAG Köln 23.1.2007 – 9 TaBV 66/06).
Normenkette
BetrVG § 76
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 09.04.2008; Aktenzeichen 3 BV 119/07) |
Tenor
1) Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 5) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.04.2008 – 3 BV 119/07 – abgeändert:
Die Anträge der Beteiligten zu 1) – 4) werden zurückgewiesen.
2) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle vom 22.05.2007 zur Arbeitszeiterfassung für ÜT-Mitarbeiter im Gemeinschaftsbetrieb der Arbeitgeberinnen.
Die Antragstellerinnen und Beteiligten zu 1. – 4. (Arbeitgeberinnen) führen ihre Hauptverwaltungen in Köln als Gemeinschaftsbetrieb. Von den insgesamt beschäftigten 5000 Arbeitnehmern sind etwa 200 – 300 Beschäftigte mit herausgehobenen Aufgaben, die eine Vergütung über der obersten Tarifgruppe erhalten (ÜT-Mitarbeiter).
Am 13. Juli schlossen die Arbeitgeberinnen mit dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitsflexibilisierung (im Folgenden: Betriebsvereinbarung Arbeitszeitflexibilisierung). § 1 regelt deren Geltungsbereich für die in der Hauptverwaltung Köln tätigen Arbeitnehmer der Unternehmen einschließlich der Auszubildenden im Sinne des § 5 BetrVG, soweit sie nicht ständig überwiegend im Außendienst tätig sind oder im Einzelfall nach Zustimmung des Betriebsrates einzelvertraglich keine anderweitige Arbeitszeitregelung vereinbart ist. § 12 (Schlussbestimmungen) lautet:
„Diese Betriebsvereinbarung tritt zum 01.10.1999 in Kraft und ersetzt von diesem Zeitpunkt an innerhalb ihres Geltungsbereichs alle früheren Arbeitszeitregelungen.
Die Parteien schließen die Vereinbarung auf unbestimmte Zeit. Sie kann mit einer Frist von 2 Monaten jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres schriftlich gekündigt werden, frühestens jedoch zum 31.12.2000.
Unternehmensleitung und Betriebsrat sind sich darüber einig, dass die Betriebsvereinbarung Modellcharakter hat. Zukünftige Erfahrung, wie z. B. Marktentwicklungen, können Änderungen erforderlich machen.
Bei Unwirksamkeit einzelner Vertragsteile wird der rechtliche Bestand der Betriebsvereinbarung als Ganzes hierdurch nicht berührt.”
Unter dem 03.09.1999 schlossen die Betriebspartner eine Betriebsvereinbarung zur Zutrittskontrolle, Zeiterfassung und Geldkarte für die Hauptverwaltung K. 1999 (im Folgenden: Betriebsvereinbarung Zutrittskontrolle). § 1 regelt den Geltungsbereich für die in der Hauptverwaltung K. tätigen Arbeitnehmer der Unternehmen. § 6 (Schlussbestimmungen) lautet:
„Diese Betriebsvereinbarung tritt zum 01.10.1999 in Kraft und ersetzt von diesem Zeitpunkt an innerhalb ihres Geltungsbereichs alle früheren Regelungen. Die Parteien schließen diese Vereinbarung auf unbestimmte Zeit. Sie kann mit einer Frist von 2 Monaten jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres schriftlich gekündigt werden, frühestens jedoch zum 31.12.2000.
Bei Unwirksamkeit einzelner Vertragsteile wird der rechtliche Bestand der Betriebsvereinbarung als Ganzes hierdurch nicht berührt.”
Die Arbeitgeberinnen zu 1., 3. und 4. haben jeweils mit ihren Gesamtbetriebsräten am 27.10.2005 und 14.01.2006 Gesamtbetriebsvereinbarungen abgeschlossen, die im Wesentlichen die Gewährung übertariflicher Entgeltbestandteile im Rahmen eines neuen Vergütungssystems für Beschäftigte mit einer Vergütung oberhalb der obersten Tarifgruppe (ÜT-Mitarbeiter) regeln.
Die Arbeitgeberinnen beabsichtigen, die arbeitsrechtlichen und personalwirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Managementfunktionen der ÜT-Mitarbeiter in Annäherung an Regelungen für die leitenden Angestellten. Dazu streben sie Änderungen bei der Arbeitszeiterfassung für die ÜT-Mitarbeiter an, deren Kern die Einführung einer Selbstaufschreibung sowie die Dokumentation und Erfassung der Arbeitszeit ist. Der Betriebsrat lehnte den im August 2006 dazu von den Arbeitgeberinnen vorgelegten Entwurf mit der Begründung ab, die ÜT-Mitarbeiter fielen unter den Geltungsbereich der nichtgekündigten Betriebsvereinbarungen Arbeitszeitflexibilisierung und Zutrittskontrolle.
Mit Beschluss vom 23.01.2007 – 9 TaBV 66/06 – stellte das Landesarbeitsgericht Köln fest, wie zuvor auch das Arbeitsgericht Köln, dass die Einigungsstelle, die über die Arbeitszeiterfassung für ÜT-Mitarbeiter im Gemeinschaftsbetrieb der Arbeitgeberinnen in K. und eine Sonderregelung für ÜT-Mitarbeiter gegenüber der Be...