Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwendungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren nur in absoluten Ausnahmefällen. Grundsätzlich keine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung im Vergütungsfestsetzungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Im Vergütungsfestsetzungsverfahren können durch den Rechtspfleger regelmäßig keine materiell-rechtlichen Einwendungen (hier Bestreiten der Auftragserteilung) berücksichtigt werden.
Normenkette
RVG § 11 Abs. 5; ZPO § 97
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 25.01.2021; Aktenzeichen 1 Ga 19/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 25.01.2021- 1 Ga 19/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.258,90 €
Gründe
1. Die gemäß den §§ 11 Abs. 2 RVG, 104 Abs. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
2. Nach § 11 Abs. 5 RVG muss die Rechtspflegerin die Festsetzung der Vergütung ablehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Hierzu zählt etwa das Bestreiten der Erteilung eines Auftrags sowie des Inhalts oder des Umfangs des Auftrags (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG § 11 Rn. 134 f. m. w. N.).
3. Über die Begründetheit eines solchen Einwandes ist nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Deshalb kann grundsätzlich weder eine nähere Substantiierung des Einwandes verlangt werden, noch hat die Rechtspflegerin eine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn der Einwand offensichtlich unbegründet ist, das heißt wenn seine Haltlosigkeit ohne nähere Sachprüfung auf der Hand liegt, substanzlos ist oder erkennbar rechtsmissbräuchlich eingesetzt wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. April 2016 - 1 BvR 1255/14 - m. w. N.). Die Kostenfestsetzung hat mithin selbst dann zu unterbleiben, wenn die Erfolgsaussichten in materieller Hinsicht als äußerst gering einzustufen sind (LAG Köln, Beschluss vom 18. Februar 2014 - 4 Ta 10/14 - m. w. N.).
4. Der Antragsgegner bestreitet im vorliegenden Fall - unter Darlegung einzelner Tatsachen - das Erteilen eines telefonischen Auftrags zur Erhebung einer materiell-rechtlich wenig aussichtsreichen einstweiligen Verfügung auf Fortzahlung der vollen monatlichen Bruttovergütung während des Laufes eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist. Nach seiner Darlegung sei der Auftrag auf Erhalt der verzögerten Arbeitsbescheinigung gerichtet gewesen, damit die Bundesagentur für Arbeit zügig Arbeitslosengeld bewillige. Welcher inhaltliche Auftrag tatsächlich am 28.05.2020 telefonisch erteilt wurde, ob der Antragsgegner durch sein späteres Verhalten den Auftrag nachträglich, zumindest in Höhe des von der Rechtsschutzversicherung am 09.11.2020 ausgekehrten Betrags von 2.158,40 €, genehmigt oder anerkannt hat, bedarf einer materiell-rechtlichen Sachprüfung (ggfs. mit Beweisaufnahme) und ist daher im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Der Verweis auf die unter dem 29.05.2019 erteilte Vollmacht ist unbeachtlich, denn diese ist im Innenverhältnis einschränkbar (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG § 11 Rn. 137 m. w. N.).
5. Die Kostenentscheidung beruht § 97 ZPO.
6. Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 14515723 |
ZfS 2021, 465 |
AGS 2021, 322 |
NJW-Spezial 2021, 571 |