Entscheidungsstichwort (Thema)
Urteilsberichtigung - offenbare Unrichtigkeiten
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu den "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen" (§ 319 ZPO) können auch Auslassungen und Unrichtigkeiten in der Urteilsformel gehören - dann nämlich, wenn das Gericht über einen Anspruch in den Gründen anders befunden als es in der Formel zum Ausdruck gebracht hat; in diesem Fall ist die Unrichtigkeit jedenfalls dann "offenbar", wenn die mit der Formel kontrastierenden Entscheidungsgründe zusammen mit ihr verkündet worden sind oder doch gemäß § 60 Abs 2 S 2 ArbGG als verkündet gelten.
2. Liegen die Voraussetzungen der Ziffer 1 vor, kann die Berichtigung die Urteilsformel auch in ihr Gegenteil verkehren.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 27.01.2000 gegen den Berichtigungsbeschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 15.12.1999 -- 5 Ca 6633/98 -- wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 8.000,00 DM
Gründe
I. Das Arbeitsgericht hat am 12. 03. 1999 ein Urteil verkündet, mit dem es die Beklagte antragsgemäß kostenpflichtig verurteilt hat, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit Aufgaben der Vergütungsgruppe 10 BAT/IKK weiter zu beschäftigen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Klage sei nicht begründet, weshalb sie mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen sei. Nach Zustellung des Urteils unter dem 06. 08. 1999 hat der Kammervorsitzende mit Berichtigungsbeschluß vom 11. 08. 1999 den Tenor des verkündeten Urteils berichtigt; er sollte nunmehr auf kostenpflichtige Klageabweisung lauten. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat die 4. Kammer des LAG Köln den Berichtigungsbeschluß aufgehoben. Daraufhin ist der Berichtigungsbeschluß unter dem 15. 12. 1999 diesmal unter Mitwirkung der gesamten Kammer vom Arbeitsgericht wiederholt worden. Gegen diesen ihm am 14. 01. 2000 zugestellten Beschluß richtet sich die vorliegend zu entscheidende, erneute sofortige Beschwerde des Klägers.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 319 Abs. 3 ZPO statthaft und gem. § 577 ZPO zulässig. Sie war jedoch mit der Kostenfolge des § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Der mit ihr angegriffene Berichtigungsbeschluß kann sich mit Recht auf § 319 ZPO stützen:
Zu den "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen" (§ 319 ZPO) gehören auch Auslassungen und Unrichtigkeiten in der Urteilsformel -- dann nämlich, wenn das Gericht über einen Anspruch in den Gründen anders befunden als es in der Formel zum Ausdruck gebracht hat; dabei kann der Tenor auch in sein Gegenteil verkehrt werden (Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 319 Rn.1). Voraussetzung ist auch in diesem Fall lediglich eine offenbare Unrichtigkeit. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn Urteilsformel und Entscheidungsgründe einander offensichtlich widersprechen. In diesem Fall ist ein Berichtigungsbeschluß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls dann zulässig, wenn er von den Richtern erlassen wird, die an der Entscheidung selbst mitgewirkt haben (BAG, Urteil vom 13. 11. 1974 -- 5 AZR 54/74 in AP Nr. 45 zu § 616 BGB unter I 1 und 2 der Gründe).
Dem ist zumindest für den Fall zu folgen, daß die die Offenbarkeit der Unrichtigkeit auch nach außen hin dokumentierenden Entscheidungsgründe zusammen mit der Formel verkündet worden sind oder gem. § 60 Abs.2 Satz 2 ArbGG als verkündet gelten: Da das Urteil erst mit seiner Verkündung in der Welt ist, hat es von vornherein und nie anders als in seiner offenkundigen Widersprüchlichkeit existiert, so daß es kein Vertrauen zu schützen gilt. Da zudem ein Urteil bis zu seiner Verkündung gerade auch in seiner Formel von den an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richtern uneingeschränkt abänderbar ist, besteht auch kein Anlaß, einer Gefahr nachträglicher Urteilsabänderung zu begegnen: So wäre es vorliegend ohne weiteres möglich und nicht im geringsten bedenklich gewesen, wenn vor Urteilsverkündung aber nach Abfassung der Entscheidungsgründe die Unterschriften der an der Verkündung nicht mitwirkenden ehrenamtlichen Richter unter die den Entscheidungsgründen angepaßte Formel eingeholt worden wären -- was ein Übersehen der mißglückten Tenorformulierung besonders nahelegt. Dann aber wäre es reiner Formalismus, wenn man die Möglichkeit einer Heilung offenkundiger Unrichtigkeit durch die Mitwirkung derselben Richter nach Verkündung versagen würde.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 78 Abs. 2 ArbGG.
Der Vorsitzende der 11. Kammer
Fundstellen
Haufe-Index 610481 |
FA 2000, 353 |
MDR 2000, 1255 |