Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für Widerklage wegen Urheberrechtsverletzung. Ausschließliche Rechtswegzuständigkeit zu den ordentlichen Gerichten nach § 104 UrhG

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vor dem Arbeitsgericht erhobene (Dritt-)Widerklage fällt gemäß § 104 Satz 1 UrhG in die ausschließliche Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit, wenn sich die Widerklageforderung auf urheberrechtliche Anspruchsgrundlagen stützen lässt und zunächst ausdrücklich darauf gestützt wurde. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Klage besteht.

 

Normenkette

GVG § 17 Abs. 2, § 71 Abs. 1; UrhG § 97 Abs. 1, § 104 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 19.03.2021; Aktenzeichen 19 Ca 4332/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 19.03.2021 - 19 Ca 4332/20 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

 

Gründe

Die Beklagte betreibt ein zahnmedizinisches Versorgungszentrum, in dem sie eine "full guide navigierte" Implantologie anbietet. Der Implantationsvorgang wird bis hin zur Abrechnung mit einer sog. Spread-Sheet-Software abgebildet, die auf dem Programm Airtable beruht. Mit Hilfe dieses Programms werden zur Strukturierung der Arbeitsabläufe Tabellen erstellt, deren Inhalte manuell in einer Programmieroberfläche eingetragen oder automatisiert aus externen Datenbanken abgerufen werden können.

Der Kläger war seit dem 20.11.2017 bei der Beklagten als zahnärztlicher Vorbereitungsassistent angestellt. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete am 14.02.2020 auf Grund einer Eigenkündigung des Klägers. Der Kläger ist nunmehr gemeinsam mit dem Drittwiderbeklagten zu 2 Geschäftsführer der Drittwiderbeklagten zu 1, deren Unternehmensgegenstand das Herstellen, die Weiterentwicklung, der Betrieb, die Schulung und der Vertrieb von Software, insbesondere von Prozess-, Projektmanagement- und Kommunikationssoftware, sowie damit im Zusammenhang stehende Tätigkeiten innerhalb der Dentalbranche ist.

Mit seiner am 06.07.2020 bei dem Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten und der Beklagen am 15.07.2020 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Urlaubsentgeltdifferenzen für die Jahre 2018 bis 2020, eine Umsatzbeteiligung für den Monat Januar 2020 iHv. insgesamt 17.169,73 EUR brutto sowie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Mit weiterem Schriftsatz vom 27.01.2021 begehrt der Kläger hilfsweise Auskunft über die von ihm im Januar 2020 erzielten Honorare für die von ihm im Januar 2020 behandelten Patienten.

Die Beklagte macht gegenüber den Zahlungsansprüchen des Klägers ein Zurückbehaltungsrecht geltend und hat "hilfsweise" die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus Urheberrechtsverletzungen erklärt. Mit ihrer Widerklage sowie den beiden Drittwiderklagen macht die Beklagte Ansprüche geltend, die sie darauf stützt, dass der Kläger Teile der in ihrer Praxis eingesetzten Praxismanagement-Software in eine eigene Software überführt hat und diese durch die Drittwiderbeklagte zu 1 vertreibt.

Die Beklagte verlangt vom Kläger und den Drittwiderbeklagten

 es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr die Praxismanagementsoftware zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen oder solche Handlungen vornehmen zu lassen,

 den Quellcode sowie Vervielfältigung der Praxismanagement-Software zu vernichten, dies an Eides statt zu versichern,

 Auskunft darüber, in welcher Stückzahl die Praxismanagement-Software in den Handel gebracht wurde und wie viel Umsatz und Einnahmen durch den Verkauf der Praxismanagement-Software erzielt wurden, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern und Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe im Rahmen seiner Anstellung an der Weiterentwicklung der Software mitgewirkt. Als einziger Mitarbeiter habe er über die Zugriffscodes für die Software Airtable verfügt. Dem Kläger sei nicht gestattet gewesen, diese Zugriffsdaten weiterzugeben, auch weil durch den Zugriff eine Einsicht in sensible Patientendaten möglich gewesen sei. Ende Dezember 2019 habe der Kläger gleichwohl zugunsten der Drittwiderbeklagten zu 1 die Zugriffsrechte für die Software Airtable unter einem besonderen Benutzernamen angelegt. Dadurch habe er den gesamten Aufbau sowie die logische Struktur der Praxismanagement-Software einsehen und nachvollziehen können. Zudem habe die Möglichkeit bestanden, die Software ganz oder in Teilen zu kopieren. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Gerichte für Arbeitssachen für die Entscheidung über die Widerklage und die Drittwiderklage zuständig seien. Denn aufgrund des ausgeübten Zurückbehaltungsrechts sowie der Hilfsaufrechnung der Beklagten gegenüber dem Kläger bestehe ein ausreichender Sachzusammenhang mit der Hauptsache.

Der Kläger und die Drittwiderbeklagten r...

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