Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung. Ersatzzustellung. Benachrichtigungsschein
Leitsatz (amtlich)
Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde erstreckt sich bei der Ersatzzustellung auch darauf, daß der Postbedienstete die Benachrichtigung über die Niederlegung an dem angegebenen Tag in der bezeichneten Weise abgegeben hat (im Anschluß an BVerfG NJW 1992, 224, 225). Der zulässige Gegenbeweis verlangt den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs.
Normenkette
ArbGG § 59; ZPO §§ 233, 341, 700
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Beschluss vom 17.11.1996; Aktenzeichen 6 Ca 2720/96) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den einspruchsverwerfenden Beschluß des Arbeitsgerichts Siegburg vom 17.11.1996 – 6 Ca 2720/96 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 5.600,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über die Zahlung restlichen Arbeitsentgelts.
Durch Mahnbescheid vom 15.04.1996, der Inhaberin der Beklagten am 02.07.1996 zugestellt, machte der Kläger einen Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe von 5.600,00 DM geltend. Der gleichlautende Vollstreckungsbescheid vom 19.08.1996 wurde der Beklagten gemäß Postzustellungsurkunde durch Niederlegung am 23.08.1996 zugestellt.
Am 02.10.1996 hat die Beklagte Widerspruch und vorsorglich Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 19.08.1996 eingelegt. Gleichzeitig hat sie beantragt, ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist, hilfsweise in die versäumte Einspruchsfrist zu gewähren.
Mit Beschluß vom 17.11.1996 hat das Arbeitsgericht den Einspruch der Beklagten unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs als unzulässig verworfen.
Dagegen richtet sich die am 27.11.1996 eingegangene sofortige Beschwerde. Die Beklagte trägt zur Begründung vor, daß sie weder den Mahnbescheid zugestellt erhalten noch Kenntnis von der Zustellung des Vollstreckungsbescheids gehabt habe, weil sie sich seit Mitte 1994 nicht mehr in dem ehemaligen Geschäft in H, F Straße 53, aufgehalten habe, wo der Vollstreckungsbescheid zugestellt worden sei.
Der Kläger beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluß vom 17.11.1996 zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§§ 341 Abs. 2 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt worden ist.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den verspäteten Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 19.08.1996 zu Recht gemäß § 341 Abs. 1 ZPO verworfen.
Denn der Beklagten konnte wegen der versäumten Einspruchsfrist, die am 30.08.1996 ablief (§§ 700 Abs. 1 ZPO, 59 ArbGG), keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Sie war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Es kann nämlich nicht zugrundegelegt werden, daß die Beklagte den Mahnbescheid nicht zugestellt erhalten hat und auch nicht vor dem 28.09.1996 Kenntnis von der Zustellung des Vollstreckungsbescheids hatte.
Soweit die Beklagte dies in der eidesstattlichen Versicherung vom 02.12.1996 damit begründet, daß sie seit Mitte 1994 nicht mehr in dem Geschäft in H, F Straße 53 gewesen sei, übersieht sie, daß sowohl der Mahnbescheid als auch der Vollstreckungsbescheid unter ihrer Wohnanschrift R 10, 51570 W zugestellt wurden. Der Mahnbescheid ist ihr sogar ausweislich der Postzustellungsurkunde am 02.07.1996 persönlich übergeben worden. Demgegenüber ist der Vollstreckungsbescheid gemäß Postzustellungsurkunde am 23.08.1996 durch Niederlegung beim Postamt 51570 W k 22 zugestellt worden (§ 182 ZPO). Diese Ersatzzustellung ist ausweislich der darüber gefertigten Urkunde (§§ 190, 195 Abs. 2 ZPO) ordnungsgemäß vorgenommen worden. Dabei hat der Postbedienstete insbesondere vermerkt, daß er die schriftliche Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung – wie bei gewöhnlichen Briefen üblich – am 28.08.1996 in den Hausbriefkasten der Beklagten eingelegt hat, und zwar am R 10, 51570 W.
Demgemäß muß davon ausgegangen werden, daß der Benachrichtigungsschein der Beklagten am 22.08.1996 zugegangen ist. Denn die Zustellungsurkunde ist eine öffentliche Urkunde mit der Beweiskraft nach § 418 ZPO. Diese erstreckt sich bei der Ersatzzustellung auch darauf, daß der Postbedienstete die Benachrichtigung über die Niederlegung an dem angegebenen Tag in der bezeichneten Weise abgegeben hat (vgl. BVerfG NJW 1992, 224, 225), damit zugleich auch darauf, daß diese Mitteilung in den Empfangsbereich des Adressaten gelangt ist und er – sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen – von ihr Kenntnis nehmen konnte (vgl. nur Zöller/Stöber, ZPO, 19. Aufl., § 190 Rdnr. 5 m.w.N.).
Zwar ist nach § 418 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig. Die Beklagte hat ihn aber nicht geführt. Denn der Gegenbeweis verlangt den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Der Beweisantritt muß daher substantiiert sein. Es müssen Umstände dargelegt werden, die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei ...