Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung der Prozesskostenhilfe für eine Kündigungsschutzklage gegen die Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis muss gem. § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG der Klage eine Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuss vorausgegangen sein, soweit ein solcher besteht. Die Anrufung ist zwingende, vom Amts wegen zu berücksichtigende Prozessvoraussetzung der arbeitsgerichtlichen Klage. Die vor Anrufung des Schlichtungsausschusses eingereichte Klage ist unzulässig.

 

Normenkette

ZPO § 114; ArbGG § 11 Abs. 2 S. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 29.04.2014; Aktenzeichen 8 Ca 510/14 d)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird - unter Zurückweisung im Übrigen - der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 29.04.2014 - 8 Ca 510/14 d - teilweise abgeändert:

Der Klägerin wird für die erste Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt mit Wirkung vom 06.02.2014 unter Beiordnung von Rechtsanwalt H -J P , K 15, 5 E , soweit sie den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten zu 2) bis zum 28.02.2014 geltend gemacht hat.

Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

 

Gründe

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist teilweise begründet.

I. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe bezüglich der Kündigungsschutzklage gegenüber der Beklagten zu 1) richtet.

Die Kündigungsschutzklage gegenüber der Beklagten zu 1) bezüglich der Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses vom 28.01.2014 hatte keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO, denn sie war offensichtlich unzulässig, da die Klägerin die Klage am 06.02.2014 vor Durchführung des Schlichtungsverfahrens bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer Aachen erhoben hat, § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG.

1. Die Regelung des § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG bestimmt, dass bei Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis der Klage die Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuss, soweit ein solcher besteht, vorangegangen sein muss. Besteht - wie vorliegend - ein Schlichtungsausschuss, so ist dessen Anrufung zwingende, von Amts wegen zu berücksichtigende Prozessvoraussetzung der arbeitsgerichtlichen Klage (BAG, Urt. 25.11.1976 - 2 AZR 751/75 -; BAG, Urt. v. 19.03.2007 - 9 AZR 494/06 -). Die vor Anrufung des Schlichtungsausschusses eingereichte Klage ist nach allgemeiner Meinung unzulässig (vgl. z.B.: Schwab/Weth/Zimmerling, 4. Auflage, § 11 ArbGG Rdn. 5 m.w.N.). Es bestand für die Klägerin keine Veranlassung aus Gründen der Fristwahrung und zur Erhaltung ihrer Rechte, die Kündigungsschutzklage bereits vor Abschluss des Schlichtungsverfahrens beim Arbeitsgericht einzureichen. Erst nach erfolgloser Durchführung des Schlichtungsverfahrens hätte innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG Klage zum Arbeitsgericht erhoben werden müssen.

2. Nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens am 01.04.2014 stand der Zulässigkeit der Klage zwar nicht mehr das Prozesshindernis der vorherigen Anrufung des Schlichtungsausschusses entgegen (vgl. hierzu: BAG a.a.O.), aber es mangelte der Klage an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis, da sich die Klägerin gemäß Ziffer 4. des Vergleichs vom 01.04.2014 zur Rücknahme der bereits erhobenen Kündigungsschutzklage - jedenfalls im Verhältnis zur Beklagten zu 1) - verpflichtet hatte.

II. Die sofortige Beschwerde ist im Hinblick auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags, der sich gegen die Kündigung des Beklagten zu 2) vom 28.01.2014 richtet, teilweise erfolgreich.

Es bestand hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO, soweit sich die Klägerin mit ihrer Klage gegen die Beendigung ihres Aushilfsarbeitsverhältnisses mit Beklagten zu 2) vor dem 28.02.2014 gewandt hatte. Für einen weitergehenden Bestandsschutz kann eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht angenommen werden.

1. Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei auf Grund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält. Es muss also bei einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (BGH, Beschl. v. 14.12.1993 - VI ZR 235/92 - m.w.N.). Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern nur zugänglich machen (BVerfG, Beschl. v. 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04 - m.w.N.).

2. Das Aushilfsarbeitsverhältnis bestand ausweislich der eingereichten Entgeltabrechnung für den Monat Januar 2014 seit dem 01.09.2012. Aufgrund der Sachdarstellung der Klägerin lag der Kündigungsgrund der Beleidigung nicht vor, so dass es an einem wich...

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